Der 750-Milliarden-Euro-Schutzschirm klingt dramatischer, die schärfere Waffe gegen einen Euro-Kollaps hat aber die Europäische Zentralbank ausgepackt. Die EZB hat in der ersten Woche um 16,5 Milliarden Euro Staatsanleihen gekauft - erstmals in ihrer Geschichte. Damit übernimmt die Zentralbank direkt Staatsschulden der problematischen Euroländer. Bisher konnten lediglich Banken die Papiere als Pfand für Ausleihungen hinterlegen.
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Die Frankfurter Währungshüter rund um EZB-Chef Jean-Claude Trichet betonen mantraartig, dies sei weder ein Tabubruch noch eine Abkehr vom Stabilitätspfad. Selbst Chefökonom Jürgen Stark, der gegen die Maßnahme gestimmt haben soll, rückt aus, um die Entscheidung zu verteidigen. Die mediale Aufregung ist tatsächlich gewaltig. "Alle großen Inflationen haben damit begonnen, dass Nationalbanken Staatsschulden aufgekauft haben", sagt Zentralbankexperte Manfred Neumann von der Universität Bonn zur "Wiener Zeitung".
Dabei waren die US-Notenbank Fed in Washington, die Bank of England und sogar die Schweizerische Nationalbank SNB noch viel weniger zimperlich: Sie begannen weit früher mit "quantitativer Lockerung" - also simpel formuliert damit, Geld zu drucken. US-Notenbankchef "Helicopter Ben" Bernanke erhielt dadurch sogar seinen Spitznamen: Ihm eilt der Ruf voraus, er würde notfalls zur Krisenbekämpfung Banknoten aus dem Hubschrauber abwerfen.
Die EZB ist hingegen laut Statut der Preisstabilität verpflichtet. Daran werde nicht gerüttelt, schwört Trichet. Anders als die Fed werde Europas Zentralbank penibel drauf achten, die Staatsschulden-Käufe zu "neutralisieren". Das bedeutet, dass die Geldmenge unter dem Strich nicht ausgeweitet und die Inflation nicht befeuert werden soll.
Es gebe viele Arten, die Liquidität (also das in den Markt gepumpte Geld) abzuschöpfen, betonen Notenbanker. Wie von Trichet bereits angedeutet, will sich die EZB dazu verzinslicher Termineinlagen bedienen. Bereits ab heute, Dienstag, sollen die Geschäftsbanken motiviert werden, Geld vorübergehend (eine Woche lang) bei der EZB zu deponieren - im Gegenzug erhalten sie von dieser bis zu ein Prozent Zinsen.
"Das ist ein wichtiger Schritt, ich glaube aber nicht, dass er dauerhaft geeignet ist, die Anleihenkäufe zu neutralisieren", sagt Neumann. Solider wäre es seiner Ansicht nach, wenn die EZB Dollar-Aktiva verkaufen würde.
Noch ein Problem zeichnet sich ab: Eigentlich hatte die EZB schon mit dem Ausstieg aus dem Krisenmodus begonnen. Diese Normalisierung wird aber umso diffiziler, je weiter die Konjunktur in der Eurozone (etwa zwischen Deutschland und Griechenland) auseinanderklafft. Die Sparpakete der Südländer werden deren Rezession noch verschärfen. "Die EZB kann aber nur eine Zinspolitik machen - und diese wird sich an den nördlichen Ländern orientieren müssen", so Neumann.