Gibt es sie noch, die Hausfrauen? Von den Ikonen des 50er-Jahre-Idylls zu den "Managerinnen zum Nulltarif".
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"Halten Sie das Abendessen bereit. Die meisten Männer sind hungrig, wenn sie heimkommen und die Aussicht auf eine warme Mahlzeit (besonders auf seine Leibspeise) gehört zu einem herzlichen Empfang, so wie man ihn braucht.
Machen Sie sich schick. Gönnen Sie sich 15 Minuten Pause, so dass Sie erfrischt sind, wenn er ankommt. Legen Sie Make-up nach, knüpfen Sie ein Band ins Haar, so dass Sie adrett aussehen. Er war ja schließlich mit einer Menge erschöpfter Leute zusammen.
Während der kälteren Monate sollten Sie für ihn ein Kaminfeuer zum Entspannen vorbereiten. Ihr Mann wird fühlen, dass er in seinem Zuhause eine Insel der Ruhe und Ordnung hat, was auch Sie beflügeln wird. Letztendlich wird es Sie unglaublich zufrieden stellen, für sein Wohlergehen zu sorgen.
Beklagen Sie sich nicht, wenn er spät heimkommt oder selbst wenn er die ganze Nacht ausbleibt. Nehmen Sie dies als kleineres Übel, verglichen mit dem, was er vermutlich tagsüber durchgemacht hat.
Fragen Sie ihn nicht darüber aus, was er tagsüber gemacht hat. Zweifeln Sie nicht an seinem Urteilsvermögen oder seiner Rechtschaffenheit. Denken Sie daran: Er ist der Hausherr und als dieser wird er seinen Willen stets mit Fairness und Aufrichtigkeit durchsetzen. Sie haben kein Recht, ihn in Frage zu stellen. Eine gute Ehefrau weiß stets, wo ihr Platz ist."
Diese Ratschläge sind tatsächlich einmal erschienen - im "Handbuch für die gute Ehefrau" 1955 in der Zeitschrift "Housekeeping Monthly" veröffentlicht, kursieren sie heute im Internet und sorgen als Kuriosum für Heiterkeit. Und erzählen von einer Zeit, als Frauen adrett, tüchtig und sparsam sein sollten und Männer die gestrengen Hausvorstände. Seit 1919 hatten die Frauen zwar das Wahlrecht, andere Errungenschaften wurden im Nationalsozialismus wieder zunichtegemacht: Während des Krieges hatten Frauen zwar oft die Funktion des Haushaltsvorstandes, die propagierten Tugenden waren aber andere. Sie waren für Heim, Herd, Kinder und das Wohlbefinden ihres Ehemannes zuständig - und das änderte sich auch nach dem Krieg kaum.
Man hatte nicht viel in den Nachkriegshaushalten, die Hausfrauen mussten kreativ sein, um auch mit geringen Mitteln etwas auf den Tisch zu zaubern, Gewand wurde selbst genäht und gestrickt. Mit dem zunehmenden Wohlstand war eine bloße Sättigung der Familie nicht mehr genug - Abwechslung musste auf den Tisch, unzählige Ratgeber und Kochbücher halfen dabei. Aber nicht nur die Optik der Speisen trat in den Mittelpunkt, sondern auch das Aussehen der Hausfrau. Der "Frauenüberschuss" führte zu einem "Kampf um den Mann", hieß es in Schriften der 50er-Jahre - also mussten nicht nur das Essen und das Heim, sondern auch die Frau konkurrenzfähig aussehen. Aber aufgepasst: "Auch der verliebteste junge Ehemann wird der Küsse und Zärtlichkeiten seiner charmanten jungen Gattin eines Tages überdrüssig werden, wenn er sie immer wieder mit einem schlampig servierten Frühstück, einem halb verbrannten Mittagessen und einem total misslungenen Abendbrot bezahlen muss", hieß es in dem Kochbuch und Ratgeber "Alles für ihn" von Irene Berger.
Die Ausstellung "Sinalco Epoche" im Wien Museum widmete sich vor wenigen Jahren dem Haushalt nach 1945. Zwischen Frucade, Espresso und Lilienporzellan erzählte sie vor allem über den Familienalltag auf dem Weg in die Wirtschaftswunderjahre. Aus den hamsternden Frauen, die mit Lebensmittelkarten, Improvisation und vielen Tricks versuchten, ein gutes sättigendes Essen auf den Tisch zu bekommen, wurden langsam Konsumentinnen. Sie waren die Zielgruppe der aufkommenden Lebensmittelindustrie mit ihren schillernden Markenprodukten. Die Frauen, die einerseits die Macht über das Funktionieren des Haushaltes hatten, Herrin über die vielen neuen technischen Geräte wie Kühlschrank, Mixer und Kaffeemaschine waren, mussten über den Verbrauch ihres "Wirtschaftsgeldes" dem Haushaltsvorstand Mann penibel Rechenschaft ablegen und Buch führen. Die Firma Meinl bot den Frauen dazu eigene Beratungen an, zahllose Bücher, Zeitschriften und Fibeln halfen bei der genauen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung. Das Credo lautete stets: Das Funktionieren des Eheglücks hängt von der Frau und ihrem Bemühen ab. "Liebe geht durch den Magen" war mehr als nur gutgemeintes Sprüchlein. In diesem - auch von den Medien - konservierten Idyll der liebenden Hausfrau und Mutter wird aber immer mehr der Wunsch nach Entlastung, nach Lebensqualität und Vereinbarkeit von Beruf und Familie laut. Die Kuratorin der "Sinalco Epoche", Susanne Breuss, zitiert den Wiener Architekten Oskar Payer: "Der Haushalt ist zahlenmäßig die größte aber gleichzeitig auch die rückständigste Werkstatt der Welt. Produktivitätssteigerung, Planung und Vereinfachung der Arbeit stehen überall im Mittelpunkt der Betrachtungen; das Stiefkind Haushalt ist von dieser Entwicklung durch eine Reihe von Vorurteilen kaum erfasst. Übermäßig lange Arbeitszeit, unzweckmäßige Planung, ungenügend technische Hilfe bringen es mit sich, dass die Frau zur Schwerarbeiterin wird." Aber nicht nur die technische Hilfe fehlt noch, der Mann als Hilfe im Haushalt oder gar als wickelnder, kinderwagenschiebender Vater ist in den 50er-Jahren undenkbar - spätere Diskussionen über Halbe-Halbe sind noch in weiter Ferne und wohl bestenfalls innerfamiliärer Diskurs. Die Arbeitserleichterung bleibt Sache der zahlreichen Küchengeräte und praktischen Küchen. Die Schnelligkeit war nach der Sparsamkeit und der Kochkunst die neue den Frauen auferlegte Maxime geworden. Dosengerichte, Löskaffee und Suppenwürfel halfen dabei - "Kaufen Sie Freizeit. Meinl-Fleischgerichte sind tischfertig", hieß es in einem Werbeslogan, der die neue Entlastung propagieren sollte.
Fertig-Fleischgerichte und Freizeit allein helfen allerdings nicht - es brauchte die Frauenbewegung der 60er und 70er-Jahre, um ein generelles Umdenken zu erwirken. Die Vollzeithausfrau war 30 Jahre nach dem Krieg jedenfalls nicht mehr zeitgemäß. Die Frauen sollten zwar nun auch zum Familieneinkommen beitragen - der Haushalt allerdings musste nach wie vor gemacht werden. Die Historikerin Gabriele Sorgo zitiert eine Ifes-Umfrage Ende der 70er-Jahre: Danach hätten die meisten Männer zwar nichts dagegen, wenn ihre Frauen Geld verdienen, aber erwarteten sich in erster Linie (88 Prozent), dass sie gute Hausfrauen sein sollten und sich ihnen anpassten (84 Prozent). Ende der 60er-Jahre äußerte der "Kurier" die Vermutung, die steigende Scheidungsrate wäre auf die Berufstätigkeit der Frauen zurückzuführen. Die Frauenpolitik hatte also ein gutes Stück Arbeit vor sich. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Halbe-Halbe im Haushalt, Kinderkrippen und Gratis-Kindergärten waren die Schlagworte der kommenden Jahrzehnte, bis heute.
Existierten sie überhaupt noch zur Jahrtausendwende, die Hausfrauen? Eine Vertreterin meldete sich jedenfalls lautstark zu Wort und kündigte 2002 eine "Hausfrauenrevolution" an. Marie-Theres Kroetz-Relin, Tochter von Maria Schell, damals noch Ehefrau von Schauspieler und Dramatiker Franz Xaver-Kroetz und Mutter von drei Kindern kämpfte mit einer Internetplattform um die Anerkennung des gesellschaftlichen Wertes der Hausfrau. "Ich war 35, als mir klar wurde, dass meine Zukunftsaussichten als Managerin zum Nulltarif sehr mager sein würden: Kein eigener Verdienst, keine Rente, wenig Anerkennung, 24-Stunden-Job und berufliche Wiedereinstiegs-Chancen fast unmöglich", sagte sie in einem Interview. "Managerinnen zum Nulltarif" nennt Kroetz-Relin die "Nur-Hausfrauen", von denen es in Deutschland 15 Millionen gebe. In Österreich sind es nach einer Erhebung aus dem Jahr 2002 810.500 nicht erwerbstätige Frauen. Für diese hat die Hausfrauenrevolution eine Homepage und einen Chat eingerichtet, in dem sich nun Hausfrauen und Hausmänner austauschen. Deren Probleme scheinen dieselben wie vor 50 Jahren zu sein: Von "Hausfrauenfrust" ist die Rede, von Bügelwäsche, kranken Kindern und gestressten Ehepartnern. Mit ihrer Plattform will Kroetz-Relin den Hausfrauenstand aufwerten und vom Image des "Heimchens am Herd" befreien. Dazu gehört für sie ein Einkommen für Hausfrauenarbeit und bessere soziale Absicherung. Die größte Leistung auf der Welt werde von den Frauen verrichtet, die bekämen dafür aber noch nicht die nötige Anerkennung, meint sie.
Die Austria Presse Agentur rechnete 2006 vor: Eine nicht erwerbstätige Frau - Studentinnen und Pensionistinnen eingerechnet - widmet 26,2 Stunden pro Woche der Hausarbeit, ein nicht erwerbstätiger Mann nur 6,6 Stunden. Es gibt sie also noch, die klassischen Hausfrauen. Das klassische Bild von ihr, wie es die Werbung seit den 1950er Jahren aufrecht erhält, gibt es aber längst nicht mehr.
www.hausfrauenrevolution.com