)
Arbeitsmarktexpertin erwartet für IT-Fachkräfte positive Zukunft.
| Gewerkschafter berichtet von Überforderung und fehlenden Perspektiven.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Jung, dynamisch, kreativ oder nüchtern, staubtrocken, eintönig – die Vorstellungen über Jobs in der digitalen Wirtschaft könnten unterschiedlicher nicht sein. Rund 100.000 Menschen haben sich in Österreich dazu entschlossen, in der IT-Branche zu arbeiten –Tendenz steigend. Ein Job in der IT-Branche kann für Arbeitnehmer Sicherheit und Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Er kann aber auch frustrieren - und im schlimmsten Fall in der Depression münden.
"Das Image des Programmierers ist das eines ungepflegten Typen, der im Keller kettenraucht und Pizzaschachteln um sich hat", sagt Paul Hemetsberger, Web-Entwickler und Betreiber der Seite dict.cc, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Um dem gleich zu widersprechen: "Die Leute, die ich aus dem IT-Umfeld kenne, entsprechen diesem Image aber überhaupt nicht." Tatsächlich hat sich der Berufsalltag seit den Anfängen der digitalen Wirtschaft, als entsprechende Klischees und Stereotypen entstanden, grundlegend gewandelt. Moderne Großraumbüros haben den IT-Abteilungen im Keller Platz gemacht, fähige Programmierer oder Softwareentwickler sind am Arbeitsmarkt längst zu begehrten Arbeitskräften aufgestiegen.
Getragen vom allgemeinen Fachkräftemangel der IT-Unternehmen hat sich ein Gehaltsniveau etabliert, das den Vergleich mit anderen Branchen nicht zu scheuen braucht: Laut Gehaltskompass des AMS bewegt sich der durchschnittliche Brutto-Einstiegslohn bei den meisten IT-Berufen zwischen 2000 bis 2500 Euro, einzelne Ausreißer markieren Werte von 1500 bis 3500 Euro. Zum Vergleich: Bei Berufen aus dem Bereich Büro, Wirtschaft und Recht liegen die meisten Einstiegsgehälter bei 1500 bis 2000 Euro – eine Lohnspektrum, in dem beispielsweise auch die Sparte Soziales, Erziehung und Bildung zu verorten ist.
Sichere Arbeitsplätze
Zuversichtlich stimmt darüber hinaus der Blick in die Zukunft des IT-Arbeitsmarktes. "Der Berufsbereich IT entwickelt sich nach wie vor sehr positiv", berichtet Maria Hofstätter vom Forschungsnetzwerk des AMS im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Die Unternehmen planen weiterhin eine Optimierung und Beschleunigung der internen IT-Prozesse – auch aus Kostengründen. Dazu verursacht die Vernetzung von Kommunal- und Landesbehörden große IT-Investitionen der Verwaltung. Das alles wirkt sich günstig auf Beschäftigungssituation aus", meint die Arbeitsmarktexpertin im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Gerade Spezialisten in der Systembetreuung, der Programmierung und der Sicherheit wären demnach künftig noch mehr gefragt als bisher. Insgesamt biete, so ist Hofstätter überzeugt, die IT-Branche sichere Arbeitsplätze. "Die Fluktuation ist nicht sehr hoch", fasst die AMS-Expertin unter dem Hinweis auf den akuten Fachkräftemangel zusammen.
Perspektivenlosigkeit und Überforderung
Das freilich sieht Bernhard Hirnschrodt von der GPA-djp ganz anders. "IT-Firmen haben eine höhere Fluktuationsrate als andere Branchen. Denn eine große Arbeitsplatzsicherheit ist in der IT nicht gegebenen." Nach Ansicht des Gewerkschafters hätten viele Unternehmen keine langfristige Bindung ihrer Mitarbeiter im Sinn. "Von Arbeitgeberseite wird angenommen, dass das Knowhow der Mitarbeiter nach drei Jahren abgeschöpft ist. Junge Mitarbeiter gelten eben als dynamischer", so der Gewerkschafter. Das Fehlen von Perspektiven würde zu einer weit verbreiteten Unzufriedenheit in der IT-Branche führen. "Das Problem ist, dass die Mitarbeiter selten eine Perspektive oder einen möglichen Karriereverlauf erkennen können. Und dann ziemlich schnell deprimiert sind, weil sie sehen, wie schnell man am Ende der Karriere angelangt ist", sagt Hirnschrodt.
Vielfach seien Mitarbeiter in der IT-Branche darüber hinaus schlichtweg überfordert. "Die Arbeitsbelastung ist extrem projektorientiert, es gibt mehr Burn-out-Fälle und generell psychische Erkrankungen als in vielen anderen Branchen", beklagt Hirnschrodt. " Teilweise glauben jüngere Mitarbeiter, 60-70 Stunden arbeiten zu können. Nach 5-6 Jahren ist man bei dieser Arbeitsleistung aber ausgebrannt." Zurückzuführen sei das zwar auch auf Selbstausbeutung der Berufseinsteiger, aber die Arbeitgeber würden ihr Übriges zur Überforderung der IT-Mitarbeiter beitragen: "Es gibt nur mehr All-In-Arbeitsverträge. Da geht es dann nur mehr darum, Projekte fertigzubringen – egal, wie viel Zeitaufwand das für die Mitarbeiter bedeutet."
Und selbst die Auswirkungen des Fachkräftemangels, der häufig als Garant für gute Löhne und eine große Jobsicherheit genannt wird, sei zu hinterfragen. "Die Einkommen sind in der IT-Branche nicht niedrig", räumt der Gewerkschafter ein. "Sie sind aber hoch variabel", fügt Hirnschrodt hinzu. "Gewinnbeteiligungen und Leistungsvereinbarungen sind in der Branche üblich, wir sprechen von durchschnittlich 15-30 Prozent Anteil an den Gehältern", erläutert der Experte der GPA-djp.
Unrealistische Vorstellungen über den Alltag in einem IT-Unternehmen sind laut Wieland Alge, Mitgründer der phion AG und Manager beim IT-Sicherheitsanbieter Barracuda Networks, gerade bei Neueinsteigern sehr verbreitet. "Manchmal haben wir bei Berufsanfängern - auch bei Uniabgängern - die Illusion, dass Softwareentwicklung etwas Glamouröses und Abgekapseltes ist. Oft aber ist es eine sehr harte Arbeit mit den Kunden", so Alge. Auch die Arbeitszeit entspreche nicht immer den Bürozeiten, wie der IT-Security-Experte erläutert: "Wenn man selber einen Bug produziert hat, der die Nationalbank, Swarovski oder RHI lahmlegt, dann sollte man den besser auch am Sonntag fixen." Zusatz: "Damit tun sich schon manche schwer."
Der Faktor Mitarbeiter
Zukunftssicher oder ein trüber Nährboden für Burn-out-Erkrankungen - wo genau ist die IT-Branche nun zu verorten? Wie so oft liegt die Antwort irgendwo dazwischen. Fest steht, dass der Fachkräftemangel in der digitalen Wirtschaft so bald nicht behoben sein dürfte. Ob man als IT-Fachkraft aus diesem Umstand Nutzen zieht, hängt aber von mehreren Faktoren ab. Und gewiss nicht zuletzt: von einem selbst.
Gehaltskompass für den Branchen- und Berufsvergleich http://www.gehaltskompass.at
Berufsperspektiven im Qualifikations-Barometer http://www.ams.at/buw/14310.html
Weiterbildungsdatenbank des AMS: http://wbdb.ams.or.at/wbdb/index_wbdb.jsp?znid=1173779154852
Österreichs Fachhochschulen http://www.fhr.ac.at/
Testen der IT-Fitness http://it4fitness.ocg.at/