Frauen und vor allem Mütter kommen kaum in Chefetagen. Nur ein radikaler Wechsel in der Bildung kann dies ändern.
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Wien. Raben sind sogenannte Nesthocker. Sie kommen nackt, blind und flugunfähig zur Welt. Rabeneltern kümmern sich gleichberechtigt um die Nest- und Brutpflege. Anders als bei anderen Vogelarten verlassen Rabenküken aus eigenem Antrieb das Nest, manchmal bevor sie fliegen können. Auch wenn die Küken dann einen hilflosen, verlassenen Eindruck machen, bleiben Rabenmütter doch immer in der Nähe ihrer Kinder und führen diese schrittweise und behutsam ins Erwachsensein ein. Im deutschen Sprachgebrauch steht der Begriff Rabenmutter für berufstätige Frauen, denen vorgeworfen wird, sich zu wenig um ihre Kinder zu kümmern.
Einer Erhebung des Unternehmensberaters Deloitte zufolge, sind nur sieben von insgesamt 135 Vorstandspositionen der 38 kapitalstärksten heimischen börsenotierten Unternehmen in Österreich von Frauen bekleidet. Das ist eine Frauenquote von fünf Prozent. Unter den Aufsichtsräten beträgt die Frauenquote immerhin 19 Prozent. Von der 50-prozentigen Frauenquote, die im bis Montag laufenden Frauenvolksbegehren gefordert wird, ist man weit entfernt.
"Jede Frau soll selbst entscheiden können, ob sie Mutter sein will oder Vorstandsvorsitzende", hat Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) im August 2017 in einem Interview gesagt. Heute ist sie bekanntlich beides, also Mutter und Ministerin, und korrigiert ihre Aussage von damals: "Jede Frau soll die Wahlmöglichkeit haben, wie sie ihr Leben mit oder ohne Kinder gestalten will. Es gibt Frauen, die Mutter und Beruf verbinden wollen, andere wollen lieber mehr Möglichkeiten haben, bei ihrem Kind zu bleiben." Frauen sind im Top-Management und in politischen Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert. Kommen Kinder dazu, wird der Sprung ins Top-Management noch unwahrscheinlicher.
Laut Statistik Austria arbeiteten im Vorjahr 73 Prozent der Frauen im Alter zwischen 25 und 49 Jahren, die Kinder unter 15 Jahren haben, in Teilzeit. Zum Vergleich: Bei Frauen ohne Kinder beträgt die Teilzeitquote 33 Prozent, bei Vätern in diesem Alter gar nur 7 Prozent. Was die Teilzeitquote von Frauen betrifft, ist Österreich in der EU unter den top fünf. Wieso scheint hierzulande die Vereinbarkeit von Familie und Beruf so schwierig? Und wieso trifft das in erster Linie die Frauen? Eine Spurensuche.
Kind oder Job
Gundi Wentner, Gründungspartnerin von Deloitte Human Capital, hat eine ganz simple Antwort darauf: "Wenn Sie wollen, dass Ihr Kind irgendwann die Matura macht, können Sie nicht Vollzeit arbeiten." Das Bildungssystem in seiner jetzigen Form verlange Eltern viel ab, damit ihre Kinder den Sprung in ein Gymnasium und in weiterer Folge die Matura schaffen. Kinder müssen am Nachmittag betreut werden, brauchen Hilfe bei den Hausaufgaben und beim Lernen.
In der Regel seien dann die Mütter diejenigen, die eher zu Hause bleiben, "weil die Rollenbilder nun mal so sind, wie sie sind". Gleichzeitig sei eine Führungsposition kein Teilzeitjob. Zudem passieren Karrieresprünge in der Regel zwischen Ende 20 und Mitte 40. Wer aber in Teilzeit arbeit, wird nicht befördert. Im Rahmen des österreichischen Arbeitsklimaindex des Forschungsinstituts Sora im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich, gaben weibliche Führungskräfte an, 38 Stunden pro Woche zu arbeiten, männliche 42 Stunden pro Woche. Interessant ist dabei, dass 77 Prozent der männlichen Führungspersonen meinen, dass Familie und Beruf gut vereinbar seien. Bei den weiblichen Führungskräften denken das 81 Prozent.
Um den Status quo zu ändern, braucht es laut Wentner einen radikalen Systemwechsel im Bildungsbereich. Sie fordert flächendeckende und leistbare Ganztagsschulen und eine Gesamtschule für bis 14-jährige, um den Betreuungsdruck von den Eltern zu nehmen.
"Wenn du keine Familie hast, die dir hilft und dich unterstütz, geht eine Führungsposition als Mutter fast nicht", meint Eva Zeglovits, Geschäftsführerin des Forschungsinstituts Ifes. Außerhalb der Landeshauptstädte sei die Kinderbetreuung noch immer mangelhaft. Es fehle an Krippen für unter Dreijährige und an Nachmittagsbetreuung.
Die Kinderbetreuung ist aber nicht der einzige Faktor, warum Frauen eher in Teilzeit gehen, während Männer tendenziell sogar mehr arbeiten, wenn sie Kinder bekommen. "Der Mann verdient oft mehr als die Frau. Da fällt es einer Familie leichter, auf das geringere Einkommen zu verzichten", meint Zeglovits. Laut Statistik Austria verdienen Frauen in Österreich im Schnitt um 38 Prozent weniger als Männer.
Bereinigt man diese Zahl um Faktoren wie Teilzeitarbeit, regionale Unterschiede und niedriger bezahlte Branchen, in denen tendenziell mehr Frauen beschäftigt sind, bleibt immer noch ein Gender-Pay-Gap von 13,6 Prozent. "Solange Frauen und Männer nicht über alle Branchen hindurch besser durchmischt sind und ähnlich viel verdienen, werden weiterhin tendenziell die Frauen in Teilzeit gehen", meint Zeglovits.
Rollenbilder sitzen tief
"Wir leben noch immer in einem konservativen Land", sagt Wentner. "Ich wurde auch schon einmal als Rabenmutter bezeichnet." Im Rahmen einer Umfrage des Austrian National Election Survey der Universität Wien gaben 2013 mehr als die Hälfte der Befragten Personen an, dass sie nicht denken, dass Kinder in der Kinderkrippe genauso gut betreut werden können, wie zu Hause. Eine Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts Spectra zeigt, dass zwei Drittel der Befragten meinen, dass Kinder darunter leiden würden, wenn beide Elternteile arbeiten.
Zudem, sind sich Wendt und Zeglovits einig, werden Frauen im Top-Management und insbesondere in politischen Führungspositionen härter beurteilt als Männer. Bei Politikerinnen, zuletzt bei der neuen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, werde viel häufiger thematisiert, ob sie Kinder haben oder nicht und ob ihre Position mit einer Familie vereinbar ist.
"Es fehlt der gesellschaftliche Wille, hier etwas zu verändern", sagt Wentner von Deloitte. Das Argument, dass Frauen freiwillig auf eine Karriere verzichten, lässt sie nicht gelten. Es sei an der Politik, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Frauenquote sei eine davon. "Wir haben nämlich in den letzten 25 Jahren gesehen, dass es ohne nicht geht, obwohl wir noch nie so viele gut ausgebildete Frauen hatten."
2011 wurden staatsnahe Betriebe per Ministerratsbeschluss verpflichtet, bis 2018 eine Frauenquote von 35 Prozent im Aufsichtsrat zu erreichen. Diese Quote wurde bereits 2016 überschritten. Seit heuer müssen beide Geschlechter in börsennotierten Unternehmen oder solchen mit über 1000 Angestellten mindestens zu je 30 Prozent im Aufsichtsrat vertreten sein. Zudem müssen Betriebe mit mehr als 150 Angestellten alle zwei Jahre einen Einkommensbericht vorlegen. All diese Maßnahmen würden bereits Wirkung zeigen. Es gäbe aber Luft nach oben, meint Wentner. Denn zu lange Babypausen und jahrelange Teilzeitarbeit bedeuten für viele Frauen finanzielle Abhängigkeit vom Partner und später Altersarmut.