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Als erstes russisches Staatsoberhaupt stattet Präsident Wladimir Putin Israel zurzeit einen Staatsbesuch ab. Auf der Themenliste stehen bei dem heutigen Treffen mit Ministerpräsident Ariel Sharon neben dem Nahost-Friedensprozess und dem gemeinsamen Kampf gegen den Terror auch strittige Punkte wie Moskaus Waffenlieferungen an Syrien oder Technologietransfers für Irans Atomenergie.
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Die russischen Flaggen wehten schon Tage vor Beginn des laut israelischem Außenministerium "wahrhaft historischen Besuchs" über Westjerusalem, der gestern Nachmittag mit einer feierlichen Begrüßung durch Staatspräsident Moshe Katzav begann. Offiziell ist Israel von der Drei-Tages-Visite hellauf begeistert und spricht von einer "fundamentalen Verbesserung" der Beziehungen zuder einstigen Supermacht. Schließlich erhofft sich das Land auch eine Annäherung an die arabischen Staaten, mit denen Moskau traditionell gute Beziehungen unterhält. Eine wichtige Brücke bilden auch die mehr als eine Million Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, die inzwischen fast ein Fünftel der israelischen Bevölkerung ausmachen.
Doch bei Putins heutigem Treffen mit Sharon werden auch einige recht unangenehme Themen zur Sprache kommen - etwa der im Jänner beschlossene Ausbau der militärischen Zusammenarbeit zwischen Russland und Syrien. Ein Dorn im Auge ist dem Likud-Hardliner dabei vor allem die besiegelte Lieferung russischer Luftabwehrraketen an Damaskus. Sie könnten der Hisbollah-Miliz oder palästinensischen Extremisten in die Hände fallen, wird argumentiert.
Noch größere Besorgnis weckt die russische Hilfe für das Atomprogramm des Iran, Israels bitterstem Feind. Anders als Israel und die USA geht Russland von einer rein zivilen Nutzung des iranischen Atomprogramms aus und kündigte zuletzt gar den Bau von bis zu sechs weiteren Reaktoren an.
Schützende Hand
Auch Putin hat nicht nur Lob parat. Er dürfte seinerseits vor allem das Problem der jüdischen "Oligarchen" ansprechen, die in Israel Unterschlupf vor der russischen Justiz fanden oder finden, unter ihnen die einstigen Medienmogule Wladimir Gussinski (Israel lehnt seine Auslieferung ab) und Boris Beresowski (er lebt mittlerweile in London). Zudem fanden mehrere Mitarbeiter des in Moskau angeklagten Ex-Chefs von Yukos, Michail Chodorkowski, Schutz in Israel.
Auf eine Konfrontation mit Israel will es Putin nicht ankommen lassen, was wohl auch den Ausschlag dafür gegeben hat, dass gestern in Moskau die Verschiebung des für heute erwarteten Gerichtsurteils gegen Chodorkowski auf Mitte Mai bekannt gegeben wurde. Russland will nicht zuletzt die guten Wirtschaftsbeziehungen erhalten. Immerhin betrug das bilaterale Handelsvolumen im Vorjahr ohne Ölgeschäfte 1,2 Mrd. Dollar und überschritt damit Moskaus Handelsumfang mit der gesamten arabischen Welt. Auch will sich Putin verstärkt darum bemühen, von den Oligarchen ins Ausland geschafftes Kapitalvermögen wieder nach Russland zu locken. Und viele dieser Gelder lagern in Israel.
Europas Schweigen beflügelt
Putin, der sich als unfähig erwies, in Tschetschenien eine Friedenslösung herbeizuführen und sich dort schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig macht, will sich, vom dezenten Wegschauen des Westens offenbar beflügelt, nun verstärkt in den verfahrenen Nahost-Konflikt einbringen. Für den Herbst will er die Konfliktparteien zu einem Friedensgipfel nach Moskau einladen. Mit am Tisch sitzen sollen die Vertreter des so genannten Nahost-Quartetts, zu dem neben Russland auch die USA, die UNO und die EU gehören, kündigte Putin am Mittwoch in Kairo an. Vorgespräche sind am 8. Mai in Moskau geplant. Russland hatte sich bisher in der Debatte um eine Lösung des Palästinenserproblems kaum hervorgetan. Am Freitag reist Putin nun erstmals auch nach Ramallah. Als Geschenk überbringt er zwei russische Hubschrauber und 50 gepanzerter Fahrzeuge - um Premier Mahmud Abbas die Reise in den Gazastreifen zu erleichtern.