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Zwischen Misstrauen und Antiamerikanismus

Von David Ignatius

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Trotz der NSA-Affäre führt beim Cyberschutz kein Weg an der Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa vorbei.


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Edward Snowdens Unterstützer stellen ihn als Verfechter der Internetfreiheit dar, aber wenn europäische und US-amerikanische Experten untereinander über die Zukunft des Cyberspace diskutieren, äußern sie eher Besorgnis, dass das Internet durch die Snowden-Enthüllungen keineswegs offener wird. Schützer der Privatsphäre sagen, dass die Bedrohungen, die auf uns zukommen, den Überwachungssystemen des US-Geheimdienstes NSA (National Security Agency) zuzuschreiben sind, nicht Snowdens Enthüllungen. Ich überlasse diese Rätselfrage, ob die Henne oder das Ei zuerst da war, den Historikern. Die Frage bleibt jedoch, wie man verhindern kann, dass die Anti-NSA-Reaktion das relativ freie und offene Internet, das die Welt veränderte, zerstört. Unglücklicherweise könnte die Therapie hier schlimmer sein als die Krankheit - was den beschränkten Zugang betrifft, die Sicherheit im Cyberspace und sogar die Privatsphäre.

US-Bürger müssen verstehen, wie verärgert die Europäer über die NSA-Invasion sind. "In Washington ist man sich nicht klar, wie ernst diese Gefühle auf der anderen Seite des Atlantiks sind", sagte ein prominenter europäischer Politiker zum Wochenende am Rande der Sicherheitskonferenz in München vergangene Woche. Er kündigte an, dass US-Firmen geschätzte 28 bis 32 Milliarden Dollar an europäische Cloud-Unternehmen verlieren werden, die NSA-sichere Datenspeicherung anbieten. Dieser Boom ist verständlich, aber er könnte Mauern um die europäischen Server errichten, die den globalen Informations-Superhighway in eine Reihe von Engpässen verwandeln.

Die Datennetzwerke zu schützen, könnte nach den Enthüllungen Snowdens sogar schwieriger werden, sagen sowohl die Europäer als auch die USA, da für hochentwickelten Cyberschutz die Zusammenarbeit von Geheimdiensten und privaten Internetprovidern nötig ist. Solche Kontakte werden nun aber verteufelt. Ein anderes Paradox ist, dass die Entrüstung über das Schnüffeln der USA es russischen und chinesischen Sicherheitsdiensten erleichtern könnte, ihre eigenen Bürger auszuspionieren und Spionage im Cyberspace zu betreiben.

"Grundlegenden Antiamerikanismus und Misstrauen in die USA" haben die Enthüllungen über die NSA laut einem hochrangigen europäischen Regierungsbeamten gezeitigt. Wenn die Europäer nach den Snowden-Enthüllungen die neuerlichen Rufe nach Beschränkungen hinterfragen, bemerkte er dazu, werden sie beschuldigt, NSA-Lakaien zu sein.

In diesem Sturm von Anti-NSA-Gefühlen war einer der mutigsten Beiträge in München der des deutschen Präsidenten Joachim Gauck. "Wir beanstanden zu Recht, wenn Verbündete beim Einsatz von elektronischer Überwachung zur Gefahrenerkennung die Grenze überschreiten", sagte er: "Und trotzdem ziehen wir es vor, uns weiter auf sie zu verlassen, und zögern, unsere eigenen Überwachungsmöglichkeiten zu verbessern." Frei übersetzt: Es ist komplizierter, den Cyberspace zu schützen, als die NSA zu prügeln.

Übersetzung: Redaktion