Die Zahl der Nachhaltigkeitsberichte heimischer Unternehmen nimmt zu, externe Überprüfungen sind jedoch die Ausnahme.
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Wien. Potente Investoren nur mit nackten Zahlen zu ködern, das ist Firmenpolitik von gestern. Wer die Zeichen der Zeit erkannt hat, dokumentiert anhand umfassender Nachhaltigkeitsberichte auch ein etwaiges Engagement in Umwelt-, Klima- und Arbeitnehmerschutz. Nichtfinanzielle Kennzahlen würden langfristigere und ergänzende Rückschlüsse auf die Entwicklung eines Unternehmens zulassen, weiß Georg Rogl, Nachhaltigkeitsexperte beim Beratungsunternehmen Ernst & Young (EY) Österreich. Sein Rat: "Wer Investoren überzeugen möchte, braucht heute eine überzeugende Nachhaltigkeitsberichterstattung."
Gesetz nimmt große Firmen seit 2017 in die Pflicht
Für die meisten Firmen fällt ein Offenbarungseid in Sachen Nachhaltigkeit freilich noch unter die Rubrik "Fleißaufgaben". Für einige Großunternehmen wurde mit dem Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG) Ende 2016 die Kür jedoch zur Pflicht. Betroffen sind Firmen mit über 500 Mitarbeitern, die im öffentlichen Interesse stehen, dazu gehören kapitalmarktorientierte Unternehmen und Firmen aus der Finanz- und Versicherungsbranche.
EY Österreich hat sich die Auswirkungen des Gesetzes für das Berichtsjahr 2017 genauer angesehen. Demnach haben 70 der 76 Firmen, die vom NaDiVeG betroffen waren, die vorgeschriebenen nichtfinanziellen Informationen tatsächlich veröffentlicht. Die übrigen sechs Gesellschaften haben sich entweder im Konzernlagebericht mit ausländischer Muttergesellschaft befreien lassen oder waren wegen eines abweichenden Wirtschaftsjahres noch nicht zur Veröffentlichung verpflichtet. Gleichzeitig nahm EY auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Österreichs Top-Firmen und öffentlichen Unternehmen unter die Lupe.
Von den 100 umsatzstärksten Unternehmen und je fünf Top-Kreditinstituten und Versicherungen die nicht dem NaDiVeG unterliegen, haben für das Geschäftsjahr 2017 demnach 39 Firmen einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, um sechs Prozent mehr im Vergleich zu 2016. Rückläufig sind die Zahlen hingegen bei den öffentlichen Unternehmen, von denen 2018 lediglich 33 Prozent einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegten, im Jahr 2017 waren es noch 44 Prozent.
Besonders heftig wird derzeit darüber diskutiert, wie verlässlich die Inhalte dieser Berichte sind und wie streng deren Überprüfung ausfällt. So wollte die Arbeiterkammer (AK) von börsenotierten Firmen wissen, wie es um die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte durch den Aufsichtsrat bestellt sei, und wie die Inhalte ins Controlling integriert sind. Die Industriellenvereinigung warf der AK daraufhin vor, sich als "Aufsichtsbehörde" aufzuspielen.
Bei der externen Prüfung ist laut EY-Studie noch viel Luft nach oben. Nur 26 Prozent der Unternehmen, die dem NaDiVeG unterliegen, haben ihre Berichte von unabhängigen Dritten überprüfen lassen. Zum Vergleich: Nachhaltigkeitsberichte jener Unternehmen, Banken und Versicherungen, die nicht vom NaDiVeG betroffen sind, werden zu 49 Prozent von unabhängigen Dritten geprüft. In Deutschland unterziehen sich knapp drei Viertel der Unternehmen einer externen Prüfung, in Italien ist sie gesetzlich vorgeschrieben. Auf diese Weise soll das "Greenwashing", bei dem sich Firmen selbst ein umweltfreundliches Image attestieren, verhindert werden.
Laut einer Untersuchung der WU Wien und des Beratungsunternehmens PWC werden in den Berichten neben Arbeitnehmerbelangen wie Arbeitsunfällen zumeist Umweltthemen behandelt. Auf Menschenrechte und Korruption würden die Unternehmen hingegen seltener eingehen.
Klimaschutz, sauberes Wasser, Armutsbekämpfung
EY hat analysiert, in welchem Ausmaß heimische Firmen die von den Vereinten Nationen definierten "Sustainable Development Goals" (SDGs) in ihren Berichten berücksichtigen. Die SDGs reichen von Geschlechtergerechtigkeit über Klimaschutz und sauberes Wasser bis zur Armutsbekämpfung. Im Segment der Top-Unternehmen, Banken und Versicherungen hat sich laut EY die Anzahl jener, die sich mit den SDGs näher befassen, fast verdoppelt. Auch bei den öffentlichen Unternehmen sind in fünf von sieben Berichten Ziele mit den SDGs verknüpft. "Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, Maßnahmen zum Klimaschutz, sowie nachhaltiger Konsum und Produktion sind die Spitzenreiter unter den berichteten SDGs", schildert Rogl das Themenspektrum. "Bei der Herangehensweise, wie die SDGs dargestellt und integriert werden, gibt es aber noch Aufholbedarf."