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Neben EU-Verfassung und Finanzplanung wollen die Staats- und Regierungschefs der Union bei ihrem Gipfeltreffen auch über eine EU-weite Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres sprechen. Aufbauend auf dem Haager Programm - für gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik - sollen Grundrechte ebenso gestärkt wie der Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus intensiviert werden, erläutern Kommissionspräsident Barroso und Innenkommissar Frattini.
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Wind ist gut - wenn man ein Segelboot ist. Damit kommt man vorwärts. Europa hat gerade viele Winde, sogar Stürme auszustehen und braucht deshalb eine gute Mannschaft an Bord, die es versteht zusammen zu arbeiten. Die EU-Institutionen, Mitgliedstaaten und Zivilgesellschaften müssen die Segel hissen, damit unsere gemeinsamen Ziele - Wohlstand, Solidarität und Sicherheit - erreicht werden.
Dies ist die Vision, auf die sich das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für die nächsten fünf Jahre stützt. Auf dem EU-Gipfel am 16. und 17. Juni werden konkrete Maßnahmen zum Haager Sicherheitsprogramm besprochen werden.
Der Grundmast dieser Partnerschaft ist Wohlstand. Die Europäische Kommission hat im Frühjahr dieses Jahres die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung neu angekurbelt: Sie soll die EU zu einem attraktiveren Standort für Investitionen und Arbeitsplätze machen.
Der Kompass zeigt auf das strategische Ziel Solidarität. Damit sollen das Gefälle zwischen reichen und armen Regionen vermindert, der Schutz der Umwelt und der Lebensqualität Europas und eine neue Sozialagenda verwirklicht werden.
Heute geht es der Kommission um das Setzen der Segel in Richtung Sicherheit. Im November 2004 genehmigte der Europäische Rat das Haager Programm, das EU-weit Freiheit, Sicherheit und Recht stärken soll. Die engere Zusammenarbeit wird es den Bürgern ermöglichen, ihre Freiheiten und ihre Rechte voll auszuschöpfen. Gemeinsam kann man eine erfolgreiche Einwanderungs- und Asylpolitik entwickeln und die Bürger vor der globalen Bedrohung durch Terror und organisierte Kriminalität schützen.
Die Kommission hat einen neuen Aktionsplan vorgelegt, der das genannte Haager Programm in konkrete Maßnahmen umsetzt: Das sind zehn Prioritäten, die grundlegende Fragen und Probleme der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts angehen und die sich unmittelbar auf unser tägliches Leben auswirken. Wir hoffen, dass die Mitgliedstaaten dem Aktionsplan zustimmen, damit wir das Programm umsetzen können.
Die Anschläge vom 11. September 2001 und 11. März 2004 haben klar gemacht, dass diesen Bedrohungen nur gemeinsam begegnet werden kann. Nur wenn wir zusammenarbeiten und Informationen über die Rekrutierung und Finanzierung von Terroristen austauschen, können wir wirksam reagieren.
Die Statistiken über den europäischen Haftbefehl sprechen für sich: Bis September 2004 haben die europäischen Justizbehörden 2.603 Haftbefehle ausgestellt, 653 Personen wurden festgenommen und 104 einem anderen Mitgliedstaat überstellt. Das langwierige Auslieferungsverfahren wurde abgeschafft, die Durchführungsfristen drastisch gekürzt. Nun dauern die Verfahren nur noch Wochen, nicht Jahre.
Mit den neuen Mitgliedstaaten werden die Binnengrenzen in den nächsten fünf Jahren endgültig wegfallen. Zum Schutz vor illegaler Einwanderung und jeder Art von Schmuggel sollen die Außengrenzen nach einheitlichen Vorgaben von einer Agentur verwaltet werden, die in wenigen Tagen einsatzfähig sein wird. Für den Bereich Visa schlagen wir vor, dass gemeinsame Zentren zur Prüfung von Visumanträgen errichtet werden. Der Aktionsplan sieht wichtige Neuerungen im Bereich Zuwanderung und Asyl vor: Die Einwanderung muss weiterhin von den Mitgliedstaaten verwaltet werden, die über Quotenregelungen entscheiden. Geht es um illegale Zuwanderung und Menschenhandel, ist eine gemeinsame entschlossene Politik erforderlich.
Wir wollen die Mitgliedstaaten bei der Integrationsfrage darin unterstützen, bewährte Verfahren zu ermitteln und zu fördern, um sicherzustellen, dass Migration einen positiven Einfluss auf Gesellschaft und Wirtschaft hat und Ausgrenzung vermieden wird.
Der Aktionsplan fordert auch eine fortschreitende Harmonisierung des Zivilrechts, indem vor allem Bereiche, die für unser Alltagsleben von Belang sind, anhand gemeinsamer Mindestnormen angeglichen werden.
Mit dem Vorschlag der Errichtung einer neuen Agentur für Menschenrechte im Jahr 2005, erhält Europa ein Instrument zur aktiven Verteidigung und Förderung dieser Rechte.
Unser neuer Aktionsplan basiert auf einem gründlichen Reality-Check. Unser Ehrgeiz ist zu handeln, wenn ein europäischer Ansatz zusätzlichen Nutzen im Vergleich zu nationalen, regionalen oder lokalen Maßnahmen bringt. Konsultation und Partizipation sind die wesentlichen Merkmale unseres Partnerschaftskonzepts: Alle müssen eingebunden werden - vom Europäischen Parlament bis zur Zivilgesellschaft.
Die Herausforderung liegt darin, ein Gleichgewicht zwischen den Erfordernissen der Sicherheit und dem Schutz der Menschenrechte zu finden. Es kann keine Freiheit ohne Sicherheit geben. Zu lange ist Europa lediglich als Konsument von Sicherheit aufgetreten. Nun müssen wir in erster Linie lernen, Sicherheit zu produzieren, ohne unsere Freiheiten und unsere Rechte zu opfern. Das Boot Europa braucht eine starke Mannschaft mit einem gemeinsamen Plan. Wir sind davon überzeugt, dass uns der Aktionsplan diesem Ziel näher bringt.