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Zwischen Sparstrumpf und Kasino - Warum es nicht falsch ist, Staatsgeld gut zu investieren

Von Stefan Melichar

Analysen

Ein Sparstrumpf, der Zinsen zahlt, wurde noch nicht erfunden. Ein Kasino ohne Verlustrisiko jedoch auch nicht. Gerade wenn es um den Umgang mit Staatsgeldern geht, ist höchstes Fingerspitzengefühl angesagt. Was soll die - zuletzt heftig gescholtene - Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) also tun, wenn Milliardenbeträge der öffentlichen Hand nicht sofort ausgegeben werden können? Muss sie diese ohne Gewinnchance herumliegen lassen, oder kann sie zugunsten der Steuerzahler ein wenig damit zocken?


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Tatsächlich gibt der Staat nicht alles Geld, das hereinkommt, sofort aus: Steuereinnahmen fallen unabhängig von bestimmten Leistungen an. Darüber hinaus spielt gerade im Kernbereich der ÖBFA, dem Management der Staatsschulden, das Timing eine wichtige Rolle. Der Bund zahlt für seinen Schuldenberg nämlich jährlich Zinsen in Milliardenhöhe.

Da die Märkte für Staatsanleihen laufenden Schwankungen unterliegen, muss das Ziel also sein, neue Schulden dann zu machen, wenn die Konditionen gerade besonders günstig scheinen. Außerdem ist es laut Experten billiger, wenige große Tranchen aufzunehmen als viele kleine.

Dass hier zunächst Geld übrig bleibt, liegt in der Natur der Sache. Ein Beispiel der jüngeren Vergangenheit ist etwa das staatliche Bankenpaket, für das die Republik bereits Ende 2008 beträchtliche Mittel aufgenommen hat, obwohl die ersten größeren Eigenkapitalhilfen erst einige Monate später an Finanzinstitute vergeben worden sind. Ein anderer Fall findet sich zwischen Oktober 2007 und Jänner 2008. Laut Staatsschuldenausschuss (STA) mussten in diesem Zeitraum Schulden von mehr als 20 Milliarden Euro abbezahlt und wieder neu aufgenommen werden. Der STA sieht in seinem Jahresbericht 2008 hier einen Grund für den Anstieg des kurzfristigen Kassastands des Bundes. Ziel sei grundsätzlich die "Bildung einer angemessenen Liquiditätsreserve als Sicherheitspolster".

Nun ist es gerade dieser Zeitraum, der nach Veröffentlichung des Berichts des Rechnungshofs (RH) über die Veranlagungen der ÖBFA besonders für Aufregungen gesorgt hat. Von Jänner bis Oktober 2007 stieg der - in verschiedene kurzfristige Geldanlagen investierte - Kassastand des Bundes nämlich von 6,0 auf 26,8 Milliarden Euro an.

Konkret wirft der RH der Bundesfinanzierungsagentur vor, sie hätte sich kurzerhand zusätzliches Spielgeld für Spekulationsgeschäfte verschafft. Es sei klar ersichtlich, dass nicht der gesamte Kassastand für den Liquiditätsbedarf benötigt worden sei. Um zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften, seien Mittel aufgenommen und weiter veranlagt worden.

Dabei hat der Staatsschuldenausschuss bereits 2008 darauf hingewiesen, dass die "unterjährige Finanzierung und Veranlagung" über die vergangenen Jahre an Bedeutung gewonnen habe. Warum also jetzt die Aufregung? Laut Rechnungshof hat die ÖBFA von 1998 bis 2008 dem Steuerzahler einen Nettogewinn von 685 Millionen Euro beschert.

Dass der allgemeine Aufschrei über den vermeintlich unverantwortlichen Umgang mit Steuergeld erst jetzt erfolgt, hängt wohl auch damit zusammen, dass nun erstmals Verluste drohen - laut ÖBFA bis zu 458 Millionen Euro. Allerdings mangelt es auch nicht an Verbesserungspotenzial: So wichtig es ist, Staatsgeld nicht unnötigerweise brachliegen zu lassen, so entscheidend ist das Einhalten höchster Qualitätsansprüche bei der Veranlagung. Der Rechnungshof vermisst ein Vier-Augen-Prinzip bei der ÖBFA und sieht Mängel beim Risikomanagement. Wenn hier etwas schief geht, könnte der Sparstrumpf tatsächlich die bessere Option sein.