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Zwischen Stolz, Angst und Trauer

Von Julia Rumplmayr

1914
Alfred Kubin kennt in seiner Reaktion auf den Ersten Weltkrieg keine heroischen Posen: "Ende des Krieges".
© VBK Wien, 2014

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Die schlichte Stube mit der Blumentapete zeigt die ganze Ambivalenz des Krieges. Was hier mit wenigen Objekten nachgebaut ist, offenbart die Erschütterungen des Privaten. Gerahmt sieht man die Erinnerung an den stolzen Moment der Musterung: Der taugliche Sohn mit Blumen auf dem Hut, die getrockneten Blüten, ein Bild des Kaisers, in dessen Armee der junge Soldat 1911 eintrat. Drei Jahre später kämpften junge Männer wie er neben tausenden anderen in einem Weltkrieg. Aus dem einstigen Stolz der Eltern wurde Angst um die Söhne. Auf dem Tisch in der Stube liegt ein Brief der Militärseelsorge: "Ich muss Ihnen eine bittere Wahrheit mitteilen..." Ein Brief, wie ihn viele Eltern erhalten haben: Der Sohn ist an seinen Verwundungen gestorben. Der Ausstellungsbesucher liest den Brief am Tisch sitzend, und versetzt sich so ein wenig in die Rolle der trauernden Eltern.

Es sind leise Geschichten wie diese, die die Ausstellung "Vom Leben mit dem Krieg" im Linzer Schlossmuseum erzählt. "Oberösterreich war nicht an der Front, aber die Folgen des Krieges waren sehr rasch spürbar in den Lebensbereichen seiner Bewohner", sagt Dagmar Fetz-Lugmayr, Projektleiterin der Ausstellung.

Unter den zahlreichen Ausstellungen im Gedenkjahr wollte man eine andere Geschichte des Kriegs erzählen, vom Alltag abseits der Front. Eine Zeitleiste führt durch die fünf immer dunkler werdenden Räume der Schau, ein jeder einem Kriegsjahr gewidmet. Die ersten beiden erzählen von der Mobilisierung in der Bevölkerung: der mächtige Eiserne Wehrmann stand 1915 auf dem Linzer Hauptplatz, für die Zeichnung einer Kriegsanleihe konnte man einen Nagel in die Holzfigur schlagen.

Mit "Hurrah" in den Tod

Auf historischen Plakaten werden Kriegsanleihen beworben, ebenso die Aktion "Gold gab ich für
Eisen". Die oberösterreichischen Frauenverbände schickten so genannte "Liebesgaben" an die Soldaten an der Front, die Männer bedanken sich mit Feldpostkarten: "Hurrah der Grammastettner Zwieback", schreibt ein Soldat.

Hier sieht man auch die Lebenswelt der Kinder in den Kriegsjahren: Zinnsoldaten als beliebtes Spielzeug, der "schwarze Peter von Serbien" als politisches Kartenspiel. Berührend sind Kinderzeichnungen von Helmut Stanzel, der vom stolzen Soldaten bis zum hungernden Bettler den Alltag dokumentierte.

Der Raum zum Jahr 1917 zeigt schon die großen Wunden, die der Krieg hinterlassen hatte: historische Prothesen, Rollstühle, Bahren, medizinische Protokolle über "Kriegszitterer" und Abbildungen von Verwundeten. 1918 wird mit dem Ende des Krieges aus dem Land ob der Enns Oberösterreich. Die Kriegsjahre haben in der Bevölkerung deutliche Spuren hinterlassen, ein Totenbuch führt die scheinbar unendlich lange Liste der Gefallenen auf. Die Ausstellungsmacher haben dieses Totenbuch digitalisiert, in dem man nun nach Gemeindemitgliedern oder Angehörigen suchen kann. Ein abgetrennter Bereich zeigt auch Suchtafeln, die zur Identifizierung der toten Soldaten aushangen. Oft konnten diese auch nur mehr anhand der Fotos und Andenken, die sie bei sich trugen, wiedererkannt werden.

Den Abschluss der Schau bildet ein spannendes Kunstprojekt, das für die Ausstellung gestaltet wurde: In einem kleinen Spiegelkabinett "multipliziert" sich der Besucher in unendlich viele Versionen von sich selbst. Man wird selbst Teil einer anonymen Masse, das Bild erinnert an die zahllosen Kreuze der Soldatenfriedhöfe.

Parallel zur Ausstellung im Schlossmuseum wird in der Landesgalerie bis 22. Juni der Weltkrieg aus künstlerischer Sicht mit Werken von Klemens Brosch, Alfred Kubin oder Albin Egger-Lienz gezeigt. Weitere Weltkriegsausstellungen sind im Schlossmuseum Freistadt, im Photomuseum Bad Ischl und im Schloss Ebelsberg zu sehen.

Ausstellung
Vom Leben mit dem Krieg
Oberösterreich im Ersten Weltkrieg
Schlossmuseum Linz
Bis 16. November