Von außen sieht man in Bagdad allerorten Zeichen des Wiederaufbaus, während es jüngst wieder verheerende Bombenanschläge gab. Die Iraker selbst üben sich in Optimismus.
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Von der Luft aus macht Bagdad den Eindruck einer aufblühenden Stadt. Wassersport, neue Schulen, Fußballfelder, Geschäfte. Aber auf dem Boden spielte sich während unseres Fluges gerade die Hölle ab. Es war am vergangenen Sonntag, dem Tag, an dem Terroristen mit zwei gewaltigen Autobomben mehr als 100 Menschen töteten und mehr als 500 verletzten. Es war heuer der schlimmste Ausbruch von Gewalt und, wie von den Terroristen beabsichtigt, eine Mahnung, wie unbeständig die Sicherheitslage im Irak ist.
Als die Bomben explodierten, besichtigte ich gerade mit General David Petraeus, der als Oberkommandierender der US-Truppen im Irak in den Jahren 2007 und 2008 mitgeholfen hat, das Land sicherer zu machen, in einem Black-Hawk-Hubschrauber den erzielten Fortschritt. Petraeus wollte als nunmehriger Centcom-Chef gleich auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt eine Besichtigungstour aus der Luft machen, die er früher so häufig unternahm, dass er unter Piloten den Decknamen "Purple Rain" hat.
Überall Zeichen des Wiederaufbaus: "Schauen Sie", sagte Petraeus, "die Häuser sind wieder bewohnt". Er deutete auf eine Gegend, die vor ein paar Jahren eine Geisterstadt war. "Es macht richtig Freude, hier einen Kran zu sehen. Und da, ein Verkehrsstau - großartig!" Schulen, Polizeistationen, Sportstadien, Bus- und Bahnstationen, Märkte und Parkanlagen und Restaurants: Das Bagdad, das wir da besichtigten, erinnerte mich sehr an das Bagdad, das ich 1981 zum ersten Mal besuchte. Von den schrecklichen Bombenanschlägen keine Spur. Davon erfuhren wir erst nach unserer Landung.
Nach dem Anschlag brachen die mobilen Telefonverbindungen zusammen, weil alle gleichzeitig herausfinden wollten, wie es ihrer Familie und ihren Freunden ging. Wenn man als Ausländer das endlose Blutbad im Fernsehen sieht, vergisst man leicht, dass die Iraker wie alle anderen Menschen sind und ihre Angehörigen lieben wie andere auch. Als die Verbindungen wieder funktionierten, erreichten einen irakischen Freund von mir rund 30 SMS mit der Frage, ob bei ihm alles in Ordnung sei.
Nach unserer Landung fuhr ich ins Hotel "Al-Rashid", wo ich mit zwei Freunden zum Essen verabredet war. Das letzte Mal war ich im Oktober 2003 dort, mit Paul Wolfowitz, dem damaligen stellvertretenden US-Verteidigungsminister. Das "Al-Rashid" wurde damals gerade von Raketen getroffen, und viele sahen eine neue Finsternis hereinbrechen. Aber meine irakischen Freunde äußerten sich diesmal überraschend optimistisch. "Der Irak kehrt in jedem Bereich gerade zur Normalität zurück", sagte der eine, und der andere bekräftigte: "Ein Rückfall ist ausgeschlossen."
Mich wundert so viel Zuversicht angesichts der Ereignisse, aber das ist Teil der irakischen Zähigkeit. Nicht über die Bomben sprachen wir folglich, sondern über Politik. Meine Freunde kritisierten Premierminister Nouri al-Maliki scharf. Plötzlich sagte aber einer von ihnen mit strahlendem Lächeln: "Wir sitzen hier und reden offen darüber, wer nach den Wahlen regieren wird. In welchem anderen Land der arabischen Welt wäre das möglich?"
Am Abend flog Petraeus mit seinen Leuten zum Camp Victory nahe dem Flughafen, um dort die Nacht zu verbringen. "Bagdad kann ein schrecklicher Ort sein", sagte er zu mir: "Man muss vorsichtig sein mit seinen Hoffnungen." Aber als wir dann im Hubschrauber über die Stadt flogen, wimmelte es in den Straßen schon wieder, als wäre nichts geschehen.
"Die Menschen sind wieder draußen", stellte Petraeus fest, "alle Lichter brennen, und Autos kurven herum." Später fragte ich ihn, ob er glaube, die Anschläge könnten die Iraker dazu veranlassen, sich die Rückkehr der abgezogenen US-Truppen zu wünschen. Er schüttelte den Kopf: "Der Irak ist ein souveräner Staat. Die Iraker werden sich selbst darum kümmern."
Übersetzung: Redaktion