Bereits vor dem EU-Beitritt Tschechiens können Wanderer im deutsch-tschechischen Grenzgebiet ohne Kontrolle die Grenze zwischen einem EU- und einem Nicht-EU-Staat passieren. Diese Sonderregelung für die Spaziergänger ist einmalig in ganz Europa. "Es gibt bereits 23 grenzüberschreitende Wanderwege", erklärt Hans Rachwalik vom deutschen Bundesgrenzschutz (BGS) in Schwandorf. "Jedes Jahr werden es mehr."
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Während die Politiker noch um den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union gefeilscht hatten, entwickelte sich in den vergangenen sieben Jahren am ehemaligen "Eisernen Vorhang" zwischen Bayern und Böhmen ein beliebtes Wandergebiet.
Der Personalausweis gehört allerdings auch ohne Ausreise an einer Grenzstation bei einem Ausflug ins bayerisch-böhmische Grenzgebiet ins Reisegepäck. Mit Kontrollen durch die Beamten des Bundesgrenzschutzes müssen die Freizeitsportler immer rechnen. Die Polizisten würden vor allem die Einhaltung der Zoll-Bestimmungen überprüfen. Denn auch wer sich zu Fuß auf die Reise ins Nachbarland begibt, darf beispielsweise nur eine Stange Zigaretten mitbringen.
An der Grenze sei es wichtig, dass sich die Wanderer auf einem offiziellen Weg befinden, betont Rachwalik. "Sonst machen sie sich verdächtig." Denn die Wanderwege sind nicht nur bei den Sportlern beliebt, auch Schmuggler und Menschenschlepper sind unterwegs. "Die Kriminellen schätzen die gute Infrastruktur, die die Wege bieten." Zwar gehe die Zahl der Schleusungen im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet zurück, dafür seien aber mehr Drogenschmuggler unterwegs. Gefährlich seien Wanderungen im Grenzgebiet deshalb aber nicht, sagt der BGS-Mann. Die Kriminellen meiden den Kontakt zu Touristen.
Wie viele Wanderer jährlich das bayerisch-böhmische Grenzland erkunden, ist allerdings unbekannt. "Die Wege können ohne Probleme auf eigene Faust begangen werden", sagt Gerhard Neuner vom Tourismusverband Ostbayern. Besonders beliebt sind die alten Handelswege zwischen Bayern und Böhmen, die heute wieder erkundet werden können. So kann von Passau aus auf dem "Goldenen Steig" einer früher bedeutsamen Transportstrecke für Salz und Getreide gefolgt werden. Der "Baierweg" führt Wanderer von Straubing ins böhmische Grenzland. Entlang der Wege gebe es zahlreiche Informationstafeln, die auf historische Orte und Plätze verweisen, erklärt Neuner.
Auch die Gastronomen im bayerischen Grenzgebiet haben sich auf die Wanderer eingestellt. Für Urlauber, die mehrere Tage zwischen Bayern und Böhmen unterwegs sind, bieten viele Unterkünfte einen besonderen Service an: "Wer ohne Gepäck wandern will, kann sich seine Sachen von Gasthaus zu Gasthaus transportieren lassen", weiß Neuner.
Tourismuszentren dürften Wanderer im tschechischen Grenzgebiet jedoch nicht erwarten, betont BGS-Sprecher Rachwalik, der selbst begeisterter Wanderer im Grenzgebiet ist. "Der Kontrast zwischen Ost und West ist in den Ortschaften noch deutlich sichtbar", erklärt er. "Dafür kann man aber in Tschechien billig essen."