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Zwist in Irans Klerus: Der Hai zeigt Zähne

Von Arian Faal

Politik

Rafsanjani spricht von "desolater politischer Situation". | Khamenei beruft Kommission zu Foltervorwürfen gegen Bassij-Granden ein. | Teheran/Wien. Strengste Sicherheitskontrollen, mehrere dutzend Sicherheitskräfte und ein Gebäudekomplex, der einem Labyrinth gleicht. Das Gelände des so genannten Schlichtungsrates, Irans Vermittlungsinstanz zwischen Parlament und Wächterrat, ist in diesen Tagen besonders gut besucht. Denn der Hausherr, Ex-Präsident Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani, ist einer der gefürchteten Kritiker der Regierung rund um Mahmoud Ahmadinejad. Pünktlich zu seinem 76. Geburtstag nutzte er den Medienrummel rund um seine Person, um seine Sorge über den "politisch desolaten Zustand


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des Iran" medienwirksam kundzutun. Vorher war es monatelang ruhig um ihn geworden, doch Kenner des Gottesstaates wussten, dass er nur auf den richtigen Augenblick wartet, um ein lautstarkes Zeichen von sich zu geben.

Nun zeigt der wegen seines spärlichen Bartwuchses auch als "Haifisch" bezeichnete moderate Politiker wieder seine Zähne: "Seit den Präsidentschaftswahlen brodelt es. Herr Ahmadinejad hat Aussagen getätigt, die einfach nicht der Wahrheit entsprechen. Hierbei legt er sich direkt mit dem Großteil der Kleriker des Landes, der festen Stütze der islamischen Republik, an. Viele von uns haben daher eine harsche Replik des obersten Führers Ali Khamenei erwartet, die bisher ausgeblieben ist", spricht Rafsanjani mit zittriger Stimme. Und weiter: "Unter dem Deckmantel der Kritik gegen mich, gegen Mohammad Khatami, Nategh-Nouri und Mehdi Karroubi, die wir allesamt Präsidenten oder Parlamentspräsidenten waren, hat Herr Ahmadinejad eine rote Linie überschritten und die Errungenschaften der Geistlichkeit zunichte gemacht. Wir werden nicht tatenlos zusehen und einige werden sich noch wundern."

Gegen den Präsidenten

Rafsanjani ist sich bewusst, welch gewaltiges Echo seine Aussagen auslösen werden. Als Vorsitzender des Experten- und Schlichtungsrates ist er der größte Widersacher der Regierung und tut alles, um deren Machenschaften an den Pranger zu stellen. Ihm ist dabei bewusst, dass er mit dem Feuer spielt, denn vielen der regierungsnahen Elite ist er ein Dorn im Auge. Dennoch hat er seit 2005 alle Versuche der Hardliner, ihn abzumontieren, überstanden. Der Pragmatiker, der nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Juni 2009 seine Sympathie für die Opposition nicht verbergen wollte, ist der einzige Politiker des Landes, der sich seit den Protesten nach der Wahl mehrmals anmaßte, öffentlich den obersten Führer Ali Khamenei und seinen Präsidenten zu kritisieren, nachdem Letzterer ihn im TV als korrupt bezeichnet hatte.

Jetzt will er es noch einmal wissen: Nach einem Brief an Khamenei, in dem er Ahmadinejad heftig kritisiert, und einer Sonderbesprechung mit Parlamentspräsident Ali Larijani, der ebenfalls kein Freund von Ahmadinejad ist, hat Raf sanjani vor acht Wochen einige Folterprotokolle an Khamenei in Kopie übergeben und ihm aus den Aussagen vorgelesen. In ihnen ist dokumentiert, dass Einheiten der paramilitärischen Bassij-Einheiten unter anderem hochrangige Ahmadinejad-kritische Generäle wie Hamze Karami monatelang gefoltert haben.

Bassij-Milizen im Visier

Daraufhin wurde eine Sonder-Untersuchungskommission beauftragt, die Taten zu überprüfen, und einiges deutet darauf hin, dass Rafsanjani diesmal nicht locker lässt, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Selbst Khamenei, der derlei Berichte immer als "trügerische Machenschaften des Westens" abgetan hatte, blieb nichts übrig, als auf Druck Rafsanjanis ermitteln zu lassen, wie Irans Bassij-Milizen mit Oppositionellen umgehen.

Doch Rafsanjani hat nicht nur die Menschenrechte und die Wiederherstellung der Balance im Machtapparat als Ventil für seinen Kampf gegen Ahmadinejad entdeckt, auch der Klerus in der heiligen Stadt Ghom steht zu einem großen Teil hinter ihm und will Khamenei dazu bewegen, Ahmadinejad und seine Gefolgsleute in die Schranken zu weisen.

Jüngstes Beispiel dafür, was den Zorn der Mullahs erregt: Einer der engsten Mitarbeiter des Präsidenten, Esfandiar Rahim Mashaei, provozierte den Klerus mit dem Vorstoß, eine eigene islamische Schule für den Iran gründen zu wollen, was die Lehren der Gelehrten in Ghom in Frage stellt.