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Ausschuss des EU-Parlaments stimmt über Änderungen zum Gesetz ab.
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Brüssel. Geschmäht und gelobt, als "veraltet" bezeichnet und als lebensnotwendig erachtet: Die Landwirtschaftspolitik der EU löst emotionale Debatten aus wie nur wenige andere Bereiche. Es geht um Ideologien - und um Geld. Von den Förderungen profitiert nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung direkt, und deren Arbeit trägt auch nur zu einem kleinen Teil zum Wachstum der gesamten Wirtschaft bei. Essen muss allerdings jeder, und dass ohne Landwirte die Lebensmittelversorgung undenkbar wäre, können selbst die größten Kritiker der Subventionen nicht leugnen.
Die Agrarpolitik entzweit - und schreibt so manche Erfolgsgeschichte. So sorgt es bis heute für Zwist unter den Mitgliedstaaten, dass sich Großbritannien in den 1980er Jahren einen Rabatt auf seine Zahlungen in den EU-Haushalt erstritten hat. Damals argumentierte London damit, dass das Land relativ wenig von den Förderungen für die Landwirtschaft profitiere.
Knapp 20 Jahre später gab es umgekehrt Warnungen vor zu großen Herausforderungen für das Agrarbudget. 2004 sollten zehn Staaten in die Union aufgenommen werden, und der größte davon bereitete Sorgen. Würde Polen mit seinen kleinteiligen, nur selten modernen Landwirtschaftsflächen nicht allzu viel Finanzhilfe brauchen?, überlegten etliche Westeuropäer. Würden unsere Betriebe überleben?, fragten sich viele polnische Bauern. Die meisten erklärten EU-Skeptiker fanden sich in dieser Gruppe. Das Geld aber floss. Ein paar Jahre später wurde Polen mit seiner wachsenden Wirtschaft schon als Vorbild bei der Nutzung der Unionssubventionen genannt - was in erster Linie zwar die Förderungen für die Infrastruktur betraf, aber eben auch jene für die Landwirtschaft. Etliche Bauern jedenfalls hatten sich da bereits zu deklarierten Befürwortern der Europäischen Union gewandelt.
Tauziehen um Subventionen
Trotz allem gehört das System der Subventionen geändert, befinden die EU-Institutionen. Einen ersten Vorschlag zur Reform der Agrarpolitik hat die EU-Kommission vor gut einem Jahr vorgelegt. Die Meinungen der Mitgliedstaaten dazu gehen auseinander. Das EU-Parlament brachte seine eigenen Ideen ein: An die 7500 Anträge auf Änderungen des Gesetzesentwurfes sind daraus geworden. Der Landwirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses stimmt am heutigen Mittwoch und morgen, Donnerstag, darüber ab.
Ein paar Grundsätze der Agrarpolitik bleiben jedoch gleich. So ist diese auch künftig in zwei Säulen unterteilt: Direktzahlungen an Bauern und die Entwicklung des ländlichen Raums, die etwa Programme zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit oder des Umweltschutzes umfasst. Die Direktzahlungen, gänzlich aus dem Unionsbudget finanziert, machen rund drei Viertel des Agrarbudgets aus, das wiederum mehr als ein Drittel des gesamten EU-Haushalts bildet. Für die Jahre 2014 bis 2020 wünscht sich die EU-Kommission Mittel für die Landwirtschaft in Höhe von fast 390 Milliarden Euro.
Allerdings möchte sie die Auszahlung künftig mehr an Auflagen zum Umweltschutz koppeln. Dieses sogenannte Greening soll 30 Prozent umfassen. Als Maßnahmen dazu schlägt die Kommission etwa bestimmte Fruchtfolgen oder die Schaffung "ökologischer Vorrangflächen" vor.
Dieser grüne Gedanke fällt im EU-Parlament zwar auf fruchtbaren Boden. Problematisch sei aber, dass so wenige Maßnahmen "für ganz Europa mit seinen derart unterschiedlichen Strukturen" vorgesehen seien, erklärt Elisabeth Köstinger, die Chefverhandlerin der Europäischen Volkspartei für die Programme der ländlichen Entwicklung. Daher plädieren die Abgeordneten für mehr Flexibilität. So wünschen sie sich etwa ein Stufenmodell für die Vorrangflächen, die sowohl brachliegendes Land umfassen könnten als auch Felder, wo Pflanzen angebaut werden dürfen, die keinen Dünger brauchen. Die Größe dieser Flächen soll erst mit der Zeit auf die von der Kommission geforderten sieben Prozent wachsen. Ebenso sollte ein Landwirt nicht seine gesamten, sondern nur 30 Prozent der Subventionen verlieren, sollte er die zusätzlichen 30-prozentigen Umweltschutzauflagen nicht erfüllen.
Die Anpassungen des Parlaments zielen laut Köstinger vor allem darauf ab, die Maßnahmen für die Bauern praktikabler zu machen. Denn auch für kleinere Strukturen sollte es nicht zu einem großen Problem werden, an Förderungen zu gelangen.
Das sind allerdings nicht die einzigen Schwierigkeiten beim Ringen um eine Reform der Agrarpolitik. Parallel dazu laufen nämlich die Finanzverhandlungen über den künftigen siebenjährigen Haushalt der EU. Und jedes Land will dabei in erster Linie seine Interessen vertreten. Frankreich beispielsweise will keine Kürzungen bei den Direktzahlungen für seine Bauern hinnehmen und schlägt stattdessen Umschichtungen aus den Programmen der ländlichen Entwicklung vor. Diese ist wiederum für Österreich wesentlich wichtiger als die direkten Subventionen.
Nach den letzten Vorschlägen zur Finanzierung der EU würden für die österreichische Landwirtschaft in den kommenden Jahren rund 500 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen. Wien hat bereits angekündigt, sich für die Weiterführung der Agrarförderungen einzusetzen. Der nächste Finanzgipfel steht in zwei Wochen an. Von dessen Ergebnis wird auch das weitere Vorgehen des EU-Parlaments abhängen.