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Zwist um Regeln für Geldinstitute

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Tauziehen um Ländermaßnahmen bei Anforderungen an Unternehmen.


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Brüssel. Das eine ist ein Ziegel von einem Buch. Das andere nimmt sich im Vergleich dazu schmächtig aus. Das eine Dokument ist eine Verordnung, mit der die Europäische Union Banken strengere Kapitalregeln auferlegen will. Auf 836 Seiten, kleingedruckt, finden sich Vorschriften zu den Mitteln, welche ein Geldinstitut zurücklegen muss, oder Vorgaben zur Liquidität, also der Fähigkeit, seinen Verbindlichkeiten nachzukommen. Die Verordnung, tritt sie einmal in Kraft, müssen die Mitgliedstaaten unmittelbar anwenden. Den Rahmen dafür bildet ein Regelwerk für Finanzmärkte, das weltweit gelten soll und unter dem Namen Basel III bekannt ist.

Der andere, kürzere Text aber lässt ein wenig Spielraum für die Länder offen. Wie groß der sein soll oder darf, war Gegenstand der Verhandlungen der EU-Finanzminister, die am Mittwoch in Brüssel zu einem Sondertreffen zusammengekommen waren. Die Richtlinie, um die es geht, soll festlegen, wie viel ein Staat seinen Banken zusätzlich zu den verbindlichen Kapitalanforderungen verordnen darf. Über diesen nationalen Aufschlag gab es ein heftiges Tauziehen.

Als dieses bereits zehn Stunden lang dauerte, wollte Margrethe Vestager schon aufgeben. Die Finanzministerin des derzeitigen EU-Vorsitzlandes Dänemark hatte zuvor einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Doch die Briten, Polen und auch die EU-Kommission hatten Einwände. Dennoch wollten sie weiterhandeln, worauf Vestager einging.

So rangen die Minister bis in die späte Nacht darum, wie viel an zusätzlichen Kapitalpuffern die Länder den Geldinstituten verordnen dürfen - über den Anteil der Eigenmittel an risikogewichteten Anlagen hinaus. Dieser Anteil soll bis 2019 auf mindestens 10,5 Prozent steigen.

Im Prinzip einigten sich die EU-Politiker darauf, dass die nationalen Aufsichtsbehörden ihren Banken drei Prozent mehr auferlegen dürfen, die die Unternehmen zur Verfügung haben müssen. Das könnte unter bestimmten Umständen, die umstritten blieben, bis fünf Prozent steigen. Ursprünglich hatte Dänemark vorgeschlagen, höhere Aufschläge als drei Prozent von der EU-Kommission genehmigen zu lassen.

"Risiko für Steuerzahler"

Ginge es nach Großbritannien, müsste eine Regierung auf jeden Fall relativ viel Handlungsfreiheit haben. Immerhin seien es die Steuerzahler, die im Notfall die Rettung von strauchelnden Banken mitfinanzieren müssten, lautet das Argument. Deswegen müsste die Regierung die Möglichkeit haben, das von vornherein zu verhindern, indem sie die Unternehmen zwingt, mehr Geld zurückzulegen.

Unterstützung für die Londoner Position kam aus Stockholm. Die Banken müssten gut mit Kapital ausgestattet sein, erklärte der schwedische Finanzminister Anders Borg. "Entweder haben wir starke Banken oder die Steuerzahler bezahlen das Risiko - ich ziehe mehr Kapital in den Banken vor", fasste er zusammen.

Andere Staaten hingegen, zu denen Deutschland und Frankreich ebenso zählen wie Österreich, möchten diese nationale Freigrenze klein halten. Andernfalls würde es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen, wenn die Unterschiede bei den Kapitalpölstern zu groß wären.

Für die Genehmigungspflicht der Kommission sprechen sich etliche Staaten aus. "Natürlich müssen wir darauf achten, dass wir einheitliche Regeln haben", sagte etwa der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Auch seine österreichische Amtskollegin Maria Fekter wünschte sich, dass der Flexibilität der Länder Schranken gesetzt werden. Immerhin können die Entscheidungen einer Hauptstadt weitreichende Auswirkungen auf andere Staaten haben. Daher plädierte Fekter ebenfalls für eine Überprüfung der möglichen Maßnahmen, bevor diese ergriffen werden. Es sei kaum vorstellbar, "wie das Paket ohne eine starke Rolle der EU-Kommission funktionieren kann", befand die Ministerin.

Viel Zeit für eine grundsätzliche Einigung haben die Minister jedenfalls nicht. Die Dänen machen nämlich Tempo. Noch während ihres Vorsitzes in diesem Halbjahr hätten sie gern die erste Lesung über den Gesetzesentwurf im EU-Parlament. Dabei haben die Abgeordneten selbst bereits ihre Abstimmung über den eigenen Vorschlag mehrmals verschoben: Das Votum im Wirtschaftsausschuss ist nun für den 14. Mai angesetzt - einen Tag vor dem nächsten Treffen der Finanzminister. Danach müssen sich noch Parlament, Kommission und Länder auf den finalen Text einigen. Läuft alles nach Plan, tritt das Gesetz im nächsten Jahr in Kraft.