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Regierungskrise in Rumänien - linksliberales Bündnis steht vor dem Aus.
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Bukarest. Vor genau einem Jahr schickte sich Rumäniens frisch an die Macht gekommene linksliberale Koalition in schöner Einigkeit an, den bürgerlichen Staatspräsidenten mittels putschartiger Vorstöße aus dem Amt zu jagen und das Land dabei in die schwerste innenpolitische Krise seiner Nachwendezeit zu stürzen (siehe Interview unten). Zwölf Monate später ist der Konsensus jener Tage längst vorbei, das Bündnis bestehend aus Sozialisten und Liberalen steht vor dem Aus - der endgültige Bruch ist nur noch eine Frage der Zeit.
Zwar hing der Haussegen in der Koalition schon seit einigen Monaten schief, dennoch schlug die nach Angaben von Regierungs- und Sozialisten-Chef Victor Ponta "schwerste Krise" des Bündnisses auf der Bukarester Politbühne ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Stein des Anstoßes waren Verbalattacken eines liberalen Senators und überführten Spitzels der ehemaligen Geheimpolizei Securitate, Sorin Rosca Stanescu, auf den Premier höchstpersönlich, dem unterstellt wurde, erpressbar und daher eine Marionette der rumänischen Geheimdienste zu sein. Sichtlich erbost stellte Ponta den Liberalen ein Ultimatum: Sollte Stanescu nicht "bis Montag" aus den Reihen der Liberalen ausgeschlossen werden, könne man nicht mehr "gemeinsam weitermachen". Liberalenchef Crin Antonescu stellte sich aber hinter seinen Senator - die Parteileitung habe für dessen Verbleib entschieden.
Schon seit geraumer Zeit entwickeln sich die Liberalen, die eigentlich weit linksradikaler als ihre sozialistischen Regierungspartner sind, zu einem wahren Mühlstein für den inzwischen auf soliden Europapolitiker machenden Ponta. Die Standpauke der EU-Kommission bezüglich "strafverfolgter Minister" hatte er einzig den Liberalen zu verdanken, die ihren der Großkorruption bezichtigten Transportminister partout nicht auswechseln wollen. Auch die Brüsseler Rügen über Rückschritte im Justizbereich gehen größtenteils auf die Kappe der ehemaligen, den Liberalen nahestehenden, Justizministerin und entschiedenen Reformgegnerin Mona Pivniceru.
Antonescu: Sozialisten "potenzielle Gegner"
Der exaltierte, gefährlich populistische Liberalenchef Crin Antonescu, für den nach eigenen Angaben Ungarns Premier Viktor Orbán ein "Vorbild" darstellt, ist nach wie vor ausschließlich von seinem Präsidentschaftstraum besessen und hat darüber hinaus weder Strategien, geschweige denn Visionen zu bieten. Seine antieuropäische Rhetorik dürfte Ponta und dessen Bemühungen, sich auf dem Brüsseler Parkett langsam zu rehabilitieren, schon des Öfteren einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. In letzter Zeit mehrten sich nun auch die innenpolitischen Fehltritte der Liberalen, denen Pontas "Zusammenarbeitspakt" mit dem bürgerlichen Staatschef ein erklärter Dorn im Auge ist. Entsprechend motzte der Liberalenchef auf der jüngsten Sitzung der Parteileitung, dass man inzwischen "allein" sei im Kampf "gegen (Präsident, Anm. d. Red.) Basescu, die Sozialisten und die europäischen Institutionen". Bis zu den Parlamentswahlen im letzten Dezember habe man einen "gemeinsamen Feind" gehabt, inzwischen sei dieser jedoch "der Verbündete unseres Partners", weshalb die Sozialisten nun ebenfalls als "potenzieller Gegner" betrachtet werden könnten. Zwar fand die Sitzung hinter geschlossenen Türen statt, doch wurde der Presse ein Mitschnitt Antonescus Aussagen zugespielt.
Ponta erwartet umgehende Solidaritätsbekundungen
Dass Premier Ponta den Koalitionsvertrag am Montag nun lediglich für ausgesetzt und nicht für aufgekündigt erklärte, dürfte nur am unpassenden Timing und der wohl noch fehlenden Strategie für "die Zeit danach" gelegen haben. Den Liberalen werde eine "Bewährungsfrist" eingeräumt, um ihre Solidarität ab sofort "konkret, durch Taten" unter Beweis zu stellen, teilte Ponta mit. In den kommenden Wochen werden sich seine Sozialisten wohl um eine neue Mehrheit bemühen, was überhaupt kein Problem darstellen dürfte - zum einen angesichts der Größe der eigenen Fraktion, zum anderen dank der als sicher geltenden Unterstützung des Ungarnverbands sowie der Fraktion der restlichen Minderheiten. Über das sichere Aus der Koalition sind sich rumänische Politikbeobachter derzeit einig, gerätselt wird derzeit bloß noch über die Dauer der "Bewährungsfrist". Feststeht auf jeden Fall, dass dieser Sommer für Rumänien erneut ein "heißer" werden könnte.