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Zwist vor Start der Handelsgespräche

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU-Kommission wartet auf Ermächtigung zum Beginn von Verhandlungen mit USA.


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Brüssel. Die Verhandlungen haben noch gar nicht begonnen. Doch der Zwist darum ist bereits entbrannt. Und er dreht sich derzeit gar nicht so sehr um den Gegenstand der Gespräche, sondern vielmehr um das, was diese nicht beinhalten sollten. Dabei hätte das Treffen der für Außenhandel zuständigen EU-Minister am heutigen Freitag in Luxemburg wenig aufgeregt verlaufen sollen. Schließlich geht es lediglich um den Start und nicht das Ergebnis der Verhandlungen mit den USA um ein umfassendes Handelsabkommen. Die Mitgliedstaaten sollen der EU-Kommission dafür die Ermächtigung erteilen. Das ist zumindest die Hoffnung Irlands, das derzeit den EU-Vorsitz innehat.

Doch Frankreich äußert Einwände - und rückte bis zuletzt nicht von ihnen ab. Paris wünscht sich Ausnahmen für den Bereich Kultur und vor allem audiovisuelle Dienste. Diese sollen nicht von den Handelsgesprächen umfasst sein. Denn für die - vor allem in Frankreich stark - subventionierte europäische Filmindustrie wäre ein Wegfall der Förderungen existenzbedrohend. Der Konkurrenz von Hollywood hätte sie finanziell kaum etwas entgegenzusetzen.

Dabei stehen die staatlichen Hilfen oder Quoten, die den Anteil europäischer Produktionen im Fernsehen etwa fixieren, gar nicht zur Debatte. Vielmehr sind es laut Diplomaten digitale Mediendienste, die von amerikanischen Unternehmen beherrscht werden. Dennoch betonte die französische Kulturministerin Aurelie Filipetti vor wenigen Tagen einmal mehr, dass ihr Land die kulturellen Ausnahmen "bis zuletzt verteidigen" werde. Der Widerspruch einer Regierung reicht schon, um den Beginn der Verhandlungen hinauszuzögern: Die Mitgliedstaaten sollten der Kommission das Mandat nämlich einstimmig erteilen.

Hemmnisse durch Schutz

Um den Weg für die Freihandelsgespräche freizumachen, hat die Europäische Kommission offenbar bereits Zugeständnisse an Frankreich gemacht. Sie will den Mitgliedsländern in kulturellen Fragen ein größeres Mitspracherecht einräumen, hieß es am Donnerstag aus EU-Kreisen.

Die Forderungen aus Paris ziehen allerdings auch Warnungen etwa aus Wirtschaftskreisen nach sich, dass die USA Ausnahmen mit ebensolchen kontern könnten. So könnten sie beispielsweise den lukrativen Bereich der öffentlichen Ausschreibungen zugunsten ihrer Firmen schützen wollen.

Gerade aber solche Schutzmaßnahmen und bürokratische Hürden sollten aus der Sicht so mancher Branche fallen. Sie wirken sich nämlich bei den Mehrkosten für Exporteure mittlerweile weit stärker aus als Zölle, die beim Außenhandel anfallen. Automobilproduzenten beispielsweise, die ihre Produkte gerne in den USA verkaufen würden, müssen dort für zusätzliche Sicherheitsprüfungen zahlen. Doch auch europäische Fluglinien könnten von einer Liberalisierung profitieren, wenn sie Inlandsflüge in den Vereinigten Staaten anbieten könnten. Bauunternehmen sind wiederum an Ausschreibungen der US-Regierung interessiert.

Würde das Abkommen besiegelt, entstünde jedenfalls die größte Freihandelszone der Welt. Davon würden beide Partner ihren Nutzen ziehen, betont die EU-Kommission und verweist auf eine Studie, die sie beim Centre for Economic Policy Research in London in Auftrag gegeben hat. Der Untersuchung zufolge beliefe sich der Profit für die Wirtschaft der Union auf geschätzte 119 Milliarden Euro pro Jahr, was einem jährlichen Zusatzeinkommen von 545 Euro für den durchschnittlichen EU-Haushalt entspräche. Der Gewinn der US-amerikanischen Wirtschaft läge bei 95 Milliarden Euro pro Jahr.

Bis dahin gilt es allerdings noch etliche Hemmnisse zu beseitigen. Denn nicht nur der kulturelle Bereich sorgt für Unstimmigkeiten. So gibt es unterschiedliche Auffassungen zur Produktion und zum Vertrieb gentechnisch veränderter Pflanzen, die in der EU strenger geregelt sind als in den USA. Generell machten europäischen Agrarbetrieben und der Lebensmittelindustrie mögliche US-Konkurrenten lange Zeit Sorgen, sollten die Märkte geöffnet werden. Dennoch werden auf beiden Seiten des Atlantiks zusätzliche Impulse für die Wirtschaft gebraucht. Denn große staatliche Konjunkturprogramme gehen sich in Zeiten der Schuldenkrise nicht aus. Ebenso gilt es, dem Aufschwung Chinas etwas entgegenzusetzen, vor allem, wenn der Westen weiterhin Produktstandards vorgeben möchte.

Ringen um Daten

Um Standards zeigen sich ebenfalls Daten- und Verbraucherschützer besorgt - wenn auch aus anderen Gründen. Das Misstrauen gegenüber der Verlässlichkeit der Amerikaner bei der Einhaltung von vereinbarten Normen ist in Europa groß, und die nun bekannt gewordene Bespitzelungsaktion des US-Geheimdienstes macht es nicht einfacher. Dennoch wird Datenschutz zunächst nicht Teil der Handelsgespräche sein - entgegen den Forderungen etlicher EU-Parlamentarier.

In der Kommission wird umgekehrt darauf verwiesen, dass die Vorschriften zum Datenschutz in eine andere als die Handelsabteilung fallen: in den Bereich Justiz. Die strengeren Regelungen werden seit Monaten debattiert, und ebenso lang versuchen US-Konzerne - aber auch europäische Unternehmen - mit intensivem Lobbying, den EU-Gesetzesentwurf zu entschärfen.

Einen gewissen Erfolg konnte dabei laut "Financial Times" die US-Regierung verbuchen. So hätte die Kommission einen - zunächst geplanten - Schutzmechanismus wieder verworfen, der US-Behörden bei der Auslandsspionage eingeschränkt hätte.