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Zwölf Professoren mit Realitätssinn

Von Erhard Fürst

Gastkommentare

Das Manifest "Aufbruch in die Euro-Union" ist ein exzellenter Anstoß für die Eröffnung einer europapolitischen Grundsatzdiskussion.


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Kurt Bayer hat in seinem Kommentar "Wo bleibt die Europa-Debatte?" zu Recht Kritik an der fehlenden österreichischen EU-Politik geübt. Die Pro-Europäer in diesem Land unterstützen weitgehend unkritisch die intergouvernementale Adhoc-Reparaturpolitik aufeinanderfolgender EU-Gipfel. Die EU-Gegner üben sich in dumpfer Ablehnung zentraler Errungenschaften der europäischen Integration, wie den Euro. Eine Grundsatzdiskussion über die Finalität des europäischen Integrationswerks fehlt, sie wird von der Regierungspolitik aus Angst vor den EU-kritischen Parteien bewusst vermieden.

Das von Bayer angesprochene Manifest der zwölf deutschen Professoren "Aufbruch in die Euro-Union" ist ein exzellenter, zukunftsorientierter, mit viel Realitätssinn ausgestatteter Anstoß für die Eröffnung einer europapolitischen Grundsatzdiskussion. Es ist aber weit von Bayers utopischen Ideen entfernt, wie etwa die Staatsfinanzierung den privaten Finanzmärkten zu entziehen und der Europäischen Zentralbank zu übertragen.

Die Professorengruppe begrüßt die Verschärfung der Verschuldungsregeln durch den europäischen Fiskalpakt. Sie fordert auch keine schrittweise Vergemeinschaftung der Staatsschulden durch Eurobonds und hält das Bail-out-Verbot für richtig, wonach kein Eurostaat für die Schulden anderer aufzukommen hat.

Allerdings ist dieses Verbot nicht realistisch, solange es in der Bankenunion noch keine Abwicklungsregelung für Finanzinstitute gibt und Bankpleiten aus dem Budget des Sitzlandes der Bank finanziert werden müssen. Solche Fälle könnten nächstes Jahr eintreten, wenn die EZB 130 systemrelevante Banken prüft ("Stresstest") und Schieflagen einzelner Institute die Finanzmärkte verunsichern. Daher ist noch vor dieser Prüfung festzulegen, wer für die Lösung von Bankenproblemen aufzukommen hat: nämlich in erster Linie Eigentümer, dann Gläubiger und erst ganz zuletzt der Steuerzahler.

Eine Währungsunion verlangt Solidarität zwischen den Mitgliedsländern und als Gegenleistung Souveränitätsverzicht. Daher fordern die Professoren eine demokratisch legitimierte Euro-Wirtschaftsregierung, die über Durchgriffsrechte auf nationale Budgets verfügt. Dafür gibt es Hilfen in Krisensituationen, unter anderem durch eine - die nationalen Systeme ergänzende - europäische Arbeitslosenversicherung. Voraussetzung sind allerdings entsprechende Arbeitsmarktreformen auf nationaler Ebene.

Gefordert wird auch ein Budget für die Euro-Wirtschaftsregierung von 0,5 Prozent des BIP der Eurozone. Es soll nicht unmittelbar aus Steuern, sondern aus Beiträgen der Mitgliedsstaaten gespeist werden und der Finanzierung von öffentlichen Gütern, wie Finanzmarktstabilität, Sicherung elementarer Lebenschancen, einer echten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie wachstumsfördernden Maßnahmen dienen.

Dieses Programm verlangt eine Änderung der Europäischen Verträge und nationaler Verfassungen. Ein Engagement in diese Richtung stünde Österreich gut an.