Krisensitzungen von ÖGB-Präsidium und Bawag-Aufsicht. | Bis zuletzt Ringen um Vergleich mit Refco-Klägern. | Wien. Der heurige "Tag der Arbeit" - der 1. Mai 2006 - hieß Schwerstarbeit für den Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und seine vom US-Refco-Skandal geschüttelte Bank. Am Abend, um 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit, zwölf Stunden, bevor am Dienstag in Österreich die Bankschalter öffnen und womöglich der Ansturm verunsicherter Kunden wieder einsetzt, wollte der zuständige US-Konkursrichter in New York entscheiden, ob er die von den Refco-Gläubigern beantragte Klage über 1,3 Milliarden Dollar (1 Milliarde Euro) gegen die Bawag zulässt.
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Die Bank wollte die Klage mittels außergerichtlichem Vergleich in letzter Minute noch abfangen. Eine Verhandlungsrunde, zu der Bawag-Chef Ewald Nowotny am Sonntag und sein Vize Stephan Koren nach London geflogen waren, ist ohne Ergebnis geblieben. Es sollte aber weiter verhandelt werden.
"Die Sparer brauchen keine Sorge haben"
Der Bawag-Vorstand musste für einen neuen Lösungsvorschlag das Okay des Aufsichtsrates einholen, der am Montagnachmittag zusammentrat. Kurz davor war das ÖGB-Präsidium mit der Thematik befasst. Aus beiden Gremien waren bis zum Abend zunächst keine Informationen zu bekommen. "Kein Kommentar", hieß es. Lediglich AK-Direktor Werner Muhm ließ vor Beginn der Aufsichtsratssitzung in der Bawag-Zentrale in der Wiener Seitzergasse beruhigende Worte an die Sparer: Sie brauchten "zu keinem Zeitpunkt" Sorge zu haben. Das mit der US-Klage verbundene Milliardenrisiko macht einen raschen Verkauf der Bank unmöglich. Das, so heißt es, wissen auch die US-Anwälte der Kläger, und deshalb würde wohl bis zuletzt gepokert. Auch nach tatsächlicher Klagseinbringung wäre ein Vergleich wahrscheinlich, das würde aber wohl länger dauern, wird erwartet. In den USA enden neun von zehn Verfahren mit außergerichtlicher Einigung.
Eine baldige halbwegs positive Nachricht von der Refco-Front wäre auch für die Kunden der Bawag in Wien vonnöten, heißt es in der Finanzbranche. In den vergangenen Tagen schon waren die Bank-Filialen von verunsicherten oder frustrierten Einlegern gestürmt worden, die ihre Konten abzogen.
US-Kläger sehen Bawag als Refco-Komplicen
Die amerikanischen Refco-Gläubiger wollen von der Bawag rund eine Milliarde Euro - die Bawag hat angeblich für einen Vergleich 400 Millionen Euro angeboten, zuletzt war in Finanzkreisen von bis zu 600 Millionen Euro die Rede. Die Bawag sagt angesichts der laufenden Verhandlungen nichts dazu - das sei auch mit der anderen Seite so vereinbart. Der Vorwurf der US-Gläubiger: Die Bawag soll zwischen 2000 und 2005 "Beihilfetäter" des damaligen Refco-Chefs Phillip Bennett gewesen sein. Den US-Vorwürfen zufolge soll die Bawag in den vergangenen Jahren über so genannte "Ultimo-Geschäfte" wiederholt mitgeholfen haben, Verlustlöcher in den Bilanzen des Brokers Refco zu stopfen.
Die Bawag sieht sich allerdings selber als Opfer von Betrügereien. Refco ist im Herbst 2005, kurz nach dem Gang an die Börse, zusammengebrochen.
Gelingt der außergerichtliche Abschluss mit den US-Gläubigern nicht, dann wäre vom US-Richter auch die brisante Frage zu lösen, ob die Bank rund um die Refco-Insolvenz nur als Kreditgläubiger oder als relevanter Eigentümer zu sehen war.