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Vereitelter Terroranschlag in Wien: Strafunmündiger einvernommen. Was man bisher weiß.
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Wien. Wieder eine kurzfristig einberufene Pressekonferenz. Wieder großer Medienandrang. Und wieder kaum Neuigkeiten. Auch am dritten Tag nach dem vereitelten Terroranschlag in Wien wagten sich die Behördenvertreter nicht wirklich aus der Deckung.
Noch einmal erklärten der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, der Wiener Landespolizei-Vizepräsident Karl Mahrer und diesmal auch die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, sowie der Chef der Strafrechtssektion im Justizministerium, Christian Pilnacek, am Montag die aktuelle Sachlage. Demnach gab es irgendwann in der vergangenen Woche mehrere Hinweise ausländischer Behörden, dass ein terroristischer Anschlag "im Großraum Wien" geplant sei, sagte Kogler. Medienberichten zufolge war die U-Bahn, konkret die Station Westbahnhof, ein mögliches Ziel. Nach der Warnung habe man "innerhalb weniger Tage eine Person identifiziert, von der ein Gefahrenmoment ausgehen soll", so Kogler weiter. Der in Österreich geborene 17-jährige (entgegen früheren Darstellungen wird er erst in wenigen Tagen 18 Jahre alt) Sohn albanischer Eltern wurde daraufhin observiert, sodass keine Gefahr mehr von ihm ausging. In dieser Zeit wurden auch die Polizeidienststellen und die Wiener Linien von der potenziellen Gefahr unterrichtet, was letztlich dazu führte, dass die "Kronen Zeitung" offensichtlich bereits Freitagfrüh von dem geplanten Zugriff erfuhr. Die internen Ermittlungen dazu laufen.
Am Freitagabend habe man sich jedenfalls für den Zugriff entschieden und den Mann in Wien-Favoriten festgenommen, sagte Kogler. Danach kam es zu Hausdurchsuchungen in Wien und Niederösterreich - der junge Mann stammt aus Neunkirchen -, bei denen auch einige Mobiltelefone und Computer sichergestellt wurden. "Diese wurden in der Zwischenzeit ausgewertet, es ist unsere oberste Priorität, alles herauszudestillieren, das Überlegungen für Anschläge enthält."
Auf Basis dieser Ermittlungen wurden schon in der Nacht auf Freitag die deutschen Behörden darüber informiert, dass ein Kontakt "zu Personen in Nordrhein-Westfalen" - konkret in der in der Nähe von Düsseldorf gelegenen Großstadt Neuss bestand.
Radikalisierte werden jünger
Dort wurde in der Nacht auf Sonntag ein 21-Jähriger festgenommen, über den am Montag die Untersuchungshaft verhängt wurde. Gegen ihn wird ein Verfahren wegen "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" geführt.
Auch in Wien stießen die Ermittler auf eine weitere verdächtige Person, die allerdings strafunmündig ist. Der dem Vernehmen nach 12-Jährige, der in Kontakt zu dem Hauptverdächtigen gestanden ist, wurde im Beisein seiner Eltern einvernommen, seine Wohnung wurde ebenfalls durchsucht. Nun befindet er sich laut Kogler an einem Ort, an dem er unter Kontrolle steht. "Das Phänomen, dass Radikalisierte immer jünger werden, ist international bekannt, aber neu in Österreich", betonte der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit.
Gegen den 17-Jährigen, der derzeit in der Justizanstalt Josefstadt einsitzt, wird wegen "Bildung einer terroristischen Vereinigung" (Paragraf 278b Strafgesetzbuch) ermittelt. Die Staatsanwaltschaft hat wegen Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr ebenfalls Untersuchungshaft beantragt, wie Bussek mitteilte. Laut Pilnacek befand sich der Verdächtige bereits wegen anderer Delikte, die nicht mit Radikalisierung zu tun hatten, auf dem Radar der Justiz, auch eine Bewährungshilfe war bereits angeordnet. Am Montag meldete sich der Anwalt des 17-Jährigen, Wolfgang Blaschitz, zu Wort. "Er hatte keine Anschlagpläne. Der Staatsfeind Nummer eins ist er ganz sicher nicht", sagte Blaschitz. Im Anschluss an ein zweistündiges Gespräch mit ihm nannte Blaschitz den jungen Mann, der zum Islam konvertiert war und sich zusehends radikalisiert haben dürfte, "einen Fehlgeleiteten". Unter dem Eindruck von Kriegsbildern aus Syrien sei bei ihm "die Idee entstanden, dass es in europäischen Gefilden Gegenmaßnahmen bedarf, sei es durch Anschläge oder sonstiges". Von dieser Ideologie habe er sich "aber schon vor geraumer Zeit abgewandt". Der Bursch habe sich unter dem Einfluss seiner Familie deradikalisiert, mit der Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) habe er nichts am Hut. "Von ihm geht kein Gefährdungspotenzial für Österreich aus", versicherte Blaschitz. Der 17-Jährige habe eine Freundin in Bremen, daher sei er immer wieder in Deutschland gewesen. Dass er in Deutschland auch Kontakt zu möglicherweise radikalislamistischen Kreisen hatte, "leugnet er nicht. Aber ein Bekenntnis zum IS gibt es nicht", so Blaschitz.
Auch Kogler wollte in der Pressekonferenz nichts zu angeblichen Verbindungen zum IS sagen, wie sie Innenminister Wolfgang Sobotka angesprochen hatte. Das Netzwerk des Verdächtigen sei, wie auch dessen Stellung innerhalb des Netzwerks, noch Gegenstand von Ermittlungen.
Keine Entwarnung für Wien
Wiens Polizei-Vize Mahrer betonte, dass die Polizei weiterhin vor allem an Verkehrsknotenpunkten und stark frequentierten Plätzen erhöhte Präsenz zeigen werde. Außerdem sind rund 120 flexible Beamte unterwegs, die bei Bedarf schnell den Einsatzort wechseln können. Mahrer rief die Bevölkerung weiterhin dazu auf, wachsam zu sein und abgestellte Gegenstände zu melden.
Entwarnung werde es erst geben, "wenn wir davon ausgehen, dass keine Gefahr mehr besteht", sagte Mahrer.