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"Fünf tote reiche Männer versus 500 tote Migranten - warum hat man mit Ersteren Mitleid, mit Letzteren nicht?" Eine Frage, die sich offenbar diese Woche einige Menschen gestellt haben. Sie führten ins Treffen, dass die Öffentlichkeit sich vielmehr für das implodierte Tauchboot, das einige Tage in der Nähe des Wracks der "Titanic" gesucht wurde, interessiert hat als für die hunderten Flüchtlinge, die kurz davor in Griechenland ertrunken waren. Sogar eine Psychologin wurde bemüht, um das Phänomen zu erklären. Sie erklärte ziemlich einleuchtende Prinzipien des Journalismus: Mit Menschen, deren Namen man kennt, identifiziert man sich leichter als mit einer großen gesichtslosen Menge. Aber warum dann die großen Empathieausbrüche bei Naturkatastrophen oder Terroranschlägen? Weil sie nicht alltäglich sind, weil außergewöhnliche Geschichten die Menschen immer aus der Lethargie reißen. Zumal es sich im konkreten Fall sogar um eine Tragödie im Umfeld einer anderen Tragödie gehandelt hat. Die sowohl Technikfreaks (ein untaugliches Verkehrsmittel mit Sicherheitsmängeln) als auch Verschwörungstheoretiker (eine Ururenkelin eines "Titanic"-Opfers pilotierte das U-Boot!) angesprochen hat.
So weit die psychologisch nachvollziehbaren Mechanismen. Die nicht weniger zynisch machen, was ihnen zugrunde liegt: dass Flüchtlingsmassentode alltäglich sind, so wie Überflutungen, Waldbrände etc. uns bald nicht mehr aus dem Dystopietrott reißen werden.