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Zynismus ist auch kein Allheilmittel

Von Christina Böck

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Es ist unüblich, wenn sich eine Zeitung berufen fühlt, zu erklären, wie man einen Nachruf schreibt. Ein Redakteur des britischen "Guardian" erklärte nun, dass bei Nachrufen nicht "De mortui nil nisi bene" gelten kann. Man ahnt schon, um wessen Nachruf es da geht: um den von Margaret Thatcher. Nun ist das keineswegs eine besonders innovative Forderung. Das ist bloß, wie im seriösen, unabhängigen Journalismus gearbeitet wird oder werden sollte: Das Leben eines Menschen, der in der Öffentlichkeit gestanden ist, wird aus Anlass seines Todes noch einmal reflektiert und respektvoll beleuchtet - von allen Seiten. Falsch verstandene Pietät ist fehl am Platz. Deshalb liest man in den seltensten Fällen ausschließlich Hymnisches über Verstorbene.

Hymnen waren es freilich nicht, die man nach dem Tod Thatchers erwartet oder befürchtet hatte. Ein konservativer Politiker hatte in Richtung der Linken gleich prophylaktisch beleidigend gemeint, diese "Pygmäen" sollten sich ja zurückhalten mit kritischen Aussagen. Wenn sich der "Guardian" auch zu Recht dagegen sträubt, so war der Instinkt des Mannes kein ganz falscher. Denn besonders in sozialen Medien wie Twitter ließ man dem Hass auf die "Iron Lady" in wenig gepflegter Art und Weise Lauf. Das - und die "The Witch is dead"-Partys - behagten nicht einmal dem britischen Songwriter Billy Bragg, der sein Feindbild Thatcher als seine größte Inspiration bezeichnete. Er richtete seinen Fans aus: "Feiert nicht, organisiert euch." Der Mann hat verstanden, dass man Zynismus nicht mit Zynismus beikommt. Vielleicht versteht man das irgendwann auch auf Twitter.