Europas Steuergeld darf nicht dazu dienen, ein irrwitziges Offshore-Paradies zu retten.
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Bei der EU-Hilfe für Zypern muss es eine klare rote Linie geben: Die Finanzhilfe darf nicht dafür eingesetzt werden, den Fortbestand des irrwitzigen Finanzsystems der Mittelmeerinsel zu garantieren. Genau darum geht es Zyperns Polit-Elite: Sie wollen ihr Offshore-Paradies für Geldwäscher und Steuerhinterzieher, in dem vornehmlich Geld aus Russland gebunkert ist, nicht schließen.
Und das soll mit dem Geld der europäischen Steuerzahler gerettet werden? Die reflexartige Solidarisierung mit vermeintlich armen Pensionistinnen (mit mehr als 20.000 Euro auf dem Konto?), die um ihr Erspartes bangen, ist skurril. Denn der EU-Vorschlag, nur 40 Prozent Eigenbeitrag der Zyprioten zu verlangen und die Bankguthaben einmalig mit einer Vermögenssteuer zu belasten, ist sogar vergleichsweise kulant und äußerst sozialverträglich. Das entspricht für die meisten Sparer gerade einmal dem Verlust der (drastisch überzogenen) Zinsvorteile der vergangenen Jahre.
Der unentschuldbare Fehler der Euro-Finanzminister war freilich, dass sie der Belastung von Konten unter 100.000 Euro zugestimmt haben. Das hat europaweit für Verunsicherung gesorgt und ein Kommunikationsdesaster verursacht. Nur deshalb wird die EU jetzt für etwas verantwortlich gemacht, das Zyperns Politiker verbrochen haben.
Nikosia hat keinen Plan B
Das Drama ist, dass Zyperns Bevölkerung nicht erkennt, wie schlecht ihre Karten sind, die Eurozone zu einer Komplettrettung zu zwingen. So zynisch das sein mag: Die Insel ist schlicht zu klein, um systemrelevant zu sein.
Europas Banken haben kaum noch etwas zu befürchten, der Großteil des Geldes ist längst abgezogen. Die Ansteckungsgefahren für andere Krisenländer dürften eine Schimäre bleiben: Der befürchtete Banken-Run in Italien oder Spanien hat bis dato nicht stattgefunden - der heikelste Moment ist somit ausgestanden.
Die Alternativen für Zypern sind garstig. Dass die Regierung noch bis Juni Geld hat, spielt keine Rolle: Solange es keine Finanzierungslösung gibt, sind die Banken pleite, sobald sie aufsperren oder die Europäische Zentralbank ihre Notversorgung kappt. Die Spareinlagen wären dann praktisch zur Gänze verloren, denn Zyperns Einlagensicherung ist natürlich keinen Cent wert. Der Staat wäre bankrott.
Vermutlich würde das zu einem Austritt aus dem Euro, vielleicht sogar aus der EU führen. In Europa würden sich viele bestätigt fühlen, die den Beitritt 2004 als Fehler gewertet hatten, weil sich die EU mit der geteilten Insel den ungelösten Zypernkonflikt eingehandelt hatte. Zur Erinnerung: Der nördliche, türkisch-zypriotische Teil war damals für die Vereinigung, die von der internationalen Gemeinschaft und der EU vorgeschlagen wurde. Nur die Bevölkerung im südlichen, griechischen Teil stimmte im Referendum dagegen und verwehrte so dem Norden den EU-Beitritt.
Alternativ könnte Zypern sich lediglich den Russen an die Brust werfen. Die werden aber ebenso wenig dulden, dass russisches Geld weiterhin unversteuert nach Limassol abfließt. Allenfalls könnte Moskau einen Deal akzeptieren, der dem Staatskonzern Gazprom billig die Explorationsrechte an den vermuteten Gasvorkommen vor Zyperns Küste sichert.
Die Zyprioten würden damit aber um das letzte Asset umfallen, das ihnen vergleichsweise raschen und einfachen Wohlstand verspricht. Wäre das denn im Sinne der Bevölkerung?