Zypern hat erstmals gedroht, gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu stimmen. "Wir behalten unser Vetorecht", erklärte Staatspräsident Tassos Papadopoulos. In Deutschland stößt unterdessen die von der oppositionellen Union lancierte Idee einer Unterschriftenaktion gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei auf breite Ablehnung.
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Zypern hat seine Meinung geändert. Hatte das Land noch in der Vorwoche die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei - ebenso wie Griechenland - unterstützt, drohte Staatspräsident Tassos Papadopoulos am Wochenende erstmals mit einer Blockade. Die zypriotische Regierung werde erst beim Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs im Dezember entscheiden, ob sie ihr Vetorecht in Anspruch nehme oder nicht, kündigte Papadopoulos an. Ein Nein zu Gesprächen mit Ankara würde zwar nicht leicht fallen, doch die Türkei müsse ihren Verpflichtungen nachkommen. Nikosia erwartet eine Anerkennung der Republik Zypern, was die Türkei bisher unterlassen hat. Anerkannt ist von Ankara lediglich der Norden der geteilten Mittelmeerinsel, die "Türkische Republik Nordzypern".
Auch Griechenlands Staatspräsident Konstantinos Stefanopoulos forderte Ankara zu mehr Kooperation auf. "Die Türkei kann kein Mitglied der EU werden, solange sie Zypern nicht anerkennt und ihre Beziehungen mit Griechenland nicht regelt", erklärte Stefanopoulos gegenüber dem griechischen Fernsehen.
In Deutschland will die oppositionelle CSU ihre Ablehnung gegen einen möglichen EU-Beitritt der Türkei nun auch mit einer Unterschriftenaktion zum Ausdruck bringen. Während CDU-Vorsitzende Angela Merkel und CSU-Vorsitzender Edmund Stoiber Sympathie für den Vorschlag signalisierten, ist der Plan bei den Regierungsparteien sowie der FDP auf Ablehnung und unionsintern auch auf Kritik gestoßen. Außenminister Joschka Fischer warnte, dass eine Unterschriftenaktion großen außenpolitischen Schaden anrichten würde.
"Offene Debatte" gewünscht
Eine "ehrliche und offene Diskussion" über eine mögliche Mitgliedschaft der Türkei forderte einmal mehr Österreich. Die Bedenken der Bürger in den Bereichen Arbeitsmarkt, Landwirtschaft und Migration müssten ernst genommen werden, meinte gestern EU-Botschafter Gregor Woschnagg, der beim EU-Außenministerrat in Luxemburg die erkrankte Benita Ferrero-Waldner vertrat.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wiederum hofft laut der Nachrichtenagentur Anadolu auf eine Lockerung der Bedingungen, die der Türkei für ihren Verhandlungsprozess auferlegt werden. Das Land solle ebenso wie andere Kandidatenstaaten behandelt werden, forderte Erdogan gestern. "Wir hoffen und erwarten, dass die EU-Mitgliedstaaten am 17. Dezember eine Entscheidung ohne diskriminierende Bedingungen treffen und damit einen fairen Verhandlungsprozess garantieren", sagte der Premier.
Nachdem die EU-Kommission in der Vorwoche die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Ankara - wenn auch unter bestimmten Bedingungen - empfohlen hat, sollen die EU-Staats- und Regierungschefs im Dezember entscheiden, wann die Gespräche beginnen könnten. Deren Ziel müsse ein EU-Beitritt der Türkei sein, bekräftigte gestern Erweiterungskommissar Günter Verheugen.