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Dem Konservativen Anastasiadis wird ein klarer Sieg vorausgesagt.
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Nikosia. Kein Zweifel: Dem Mann wird Respekt gezollt. Auf der weitläufigen Terrasse des 5-Sterne-Hotels "Four Seasons" direkt am Meer in der stets sonnenverwöhnten Metropole Limassol in Zyperns Süden haben sich die einheimische Gäste unisono erhoben, um dem hohen Gast mit den feinen Gesichtszügen die Hand zu schütteln. Stavros Malas kommt gut vorbereitet zu dem Gespräch. Ein Presseassistent flüstert ihm noch ein paar Worte ins Ohr und legt ihm dann noch rasch einen Akt auf den Tisch. Dann kann es losgehen. Mit ruhiger Stimme erklärt der 45-jährige Malas im gepflegten Englisch mit hörbarem Londoner Akzent seine Positionen für die am kommenden Sonntag auf Zypern stattfindenden Präsidentschaftswahlen.
Malas hat in London Genetik studiert, anschließend sieben Jahre lang am renommierten Londoner Imperial College geforscht. Zyperns kommunistischer Staatspräsident Dimitris Christofias berief ihn im August 2011 zum Gesundheitsminister. Jetzt soll Malas bei dem wegweisenden Urnengang für die linke Christofias-Partei Akel die Kastanien aus dem Feuer holen.
Doch auch Polit-Senkrechtstarter Malas wird das Ruder am Sonntag nicht mehr herumreißen können. Nach der fünf Jahre währenden Amtszeit von Christofias scheint Akel in den Augen der meisten der 545.180 wahlberechtigten Zyprioten hoffnungslos diskreditiert. Einer am vergangenen Donnerstag vom privaten Fernsehsender Antenna veröffentlichten Umfrage zufolge hat der Kandidat Nikos Anastasiadis von der konservativen DHSY-Partei mit 40,8 Prozent der Stimmen die Nase klar vor seinem Hauptrivalen Malas (22,2 Prozent). Dem Duo folgt der von der sozialistischen Partei EDEK unterstützte Ex-Außenminister Georgios Lillikas (19,9 Prozent). Einer am Samstagabend vom Staatssender RIK veröffentlichten Umfrage zufolge (der letzten RIK-Umfrage vor dem Urnengang) vereint Anastasiadis, der auch von der Demokratischen Partei DHKO unterstützt wird, im ersten Wahlgang 39,9 Prozent der Stimmen auf sich. Auch hier liegt Akel-Kandidat Malas (24,2 Prozent) klar vor Lillikas (20,2 Prozent).
Schützenhilfe von Merkel

So kommt es aller Voraussicht eine Woche später zu einem Showdown zwischen Anastasiadis und Malas. Laut der Antenna-Umfrage würde der 66-jährige Rechtsanwalt Anastasiadis aber auch den zweiten Wahlgang mit 49,6 Prozent der Stimmen gegen Malas (29,4 Prozent) klar für sich entscheiden. Auch bei einem Duell Anastasiadis gegen Lillikas: 73,1 Prozent der Befragten glauben so oder so an einen Anastasiadis-Triumph. So lautet die Devise im Anastasiadis-Lager im Endspurt vor den Wahlen, den Sack schon am ersten Sonntag zumachen.
Anastasiadis’ Wahlsieg würde auch das Gros der europäischen Regierungschefs, allen voran die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, begrüßen. Denn der bockige Akel-Führer Christofias brachte sie oftmals auf die Palme. Jetzt soll der Machtwechsel das Kapitel Akel schnell vergessen machen. Da passt es ins Bild, dass Merkel und Co. Anastasiadis kürzlich in Limassol bei einem Treffen von Europas konservativen Parteiführern medienwirksam den Rücken stärkten.
Unabhängig davon, wer in der Präsidialdemokratie Zypern künftig das Zepter in der Hand hält: Das 840.000 Einwohner zählende Euro-Land ist in Sachen Staatsfinanzen in eine prekäre Lage geraten.
Tickende Zeitbombe
Die Aphrodite-Insel braucht nach bisherigen Schätzungen 17,5 Milliarden Euro Finanzhilfe - das entspricht Zyperns jährlicher Wirtschaftsleistung. Die Gelder werden vor allem zur Stabilisierung seiner Geschäftsbanken gebraucht. Zyperns Geldinstitute gerieten im vorigen Frühjahr im Zuge des Schuldenschnitts für Griechenlands Privatgläubiger endgültig in den Sog der Hellas-Krise.
Schon seit rund zwei Jahren ist Zypern von den internationalen Kapitalmärkten abgeschnitten. Die Ratingagentur Fitch stufte Anfang Oktober die Kreditwürdigkeit auf B3 ab. Zyperns Wirtschaft schrumpft. Das ist in der zentralen "Griva Digeni"-Straße in der Hauptstadt Nikosia auf den ersten Blick zu sehen. Wo noch vor zwei, drei Jahren die Geschäfte florierten, zieren jetzt Aufkleber mit der Aufschrift "Enoikiazetai" ("Zu Vermieten") oder "Poleitai" ("Zu Verkaufen") die Schaufenster leerer Geschäfte - ganz wie in Griechenland, dem Epizentrum der Eurokrise. Die Arbeitslosigkeit ist im Dezember 2012 auf die historische Rekordmarke von 14 Prozent geklettert. Besonders stark geht der Konsum zurück. Auch Taxifahrer Pambos leidet unter der Rezession. Seit mehr als zwanzig Jahren befördert der freundliche Herr Fahrgäste auf der Urlaubsinsel. Sein Mercedes 190 habe schon über zwei Millionen Kilometer auf dem Buckel, sagt er sichtlich stolz. "Wie stark mein Umsatz gefallen ist? Im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent. Die Leute fahren nicht mehr Taxi."
Bereits Ende Juni des vorigen Jahres hat Zypern offiziell beantragt, unter den Euro-Rettungsschirm zu schlüpfen. Dennoch: Die Gewährung der Hilfsgelder samt Auflagen ist immer noch nicht in trockenen Tüchern. Insbesondere Deutschland stellt sich quer. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück fordert, Zypern müsse seinen aufgeblähten Bankensektor konsolidieren, effizienter gegen Geldwäsche vorgehen, das Steuerdumping beenden und eine Finanztransaktionssteuer einführen. Steinbrücks Bedingungen haben Gewicht, weil Kanzlerin Merkel bei einer Bundestagsabstimmung über Hilfszahlungen aus dem europäischen Rettungsschirm ESM auf die Sozialdemokraten angewiesen sein könnte. Ebenso hat sich in Deutschland in den Reihen der FDP als auch bei CDU und CSU Widerstand gegen ein Rettungspaket für Zypern gebildet.
Umstritten ist besonders, dass damit auch russische Einlagen gerettet werden sollen. Der schlimme Vorwurf gegen Zypern: Es gehe nur halbherzig gegen Geldwäsche vor allem russischer Kontobesitzer vor. Sie sollen 20 Milliarden Euro auf der Mittelmeerinsel deponiert haben.

Ferner lockt Nikosia mit einer Ministeuer von einheitlich zehn Prozent auf Unternehmensgewinne. "Deutsche Steuerzahler werden nicht für russische Oligarchen zahlen", polterte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble soll Zypern gar als nicht systemrelevant in der Eurozone bezeichnet haben. Dafür wurde er umgehend von EZB-Präsident Mario Draghi in die Schranken gewiesen.
Lukrative Ostgeschäfte
"Es ist einfach schade", kommentiert Malas lapidar die Haltung Berlins gegenüber Nikosia. Die Forderungen der Geldgeber-Troika will auch Anastasiadis nicht pauschal erfüllen. Das dürfte auch daran liegen, dass Anastasiadis’ Wirtschaftskanzlei gute Geschäfte mit Osteuropa macht. Über die Geldwäschevorwürfe schüttelt Anastasiadis jedenfalls nur den Kopf: "Das ist völlig übertrieben." So wundert es nicht, dass für das Gros der Zyprioten die potenzielle Geldgeber-Troika schon jetzt ein rotes Tuch ist. Laut einer jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GPO bewerten 65,5 Prozent der Befragten die Troika negativ - Tendenz steigend. Gleichwohl bejahen laut RIK-Umfrage 55 Prozent der Zyprioten die Unterzeichnung eines Abkommens mit der ungeliebten Troika - notgedrungen.
Nun warten alle Beteiligten den Ausgang der Präsidentschaftswahlen ab. Die Beobachter sind sich einig: Anders als im Fall Griechenland braucht die potenzielle Geldgeber-Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds wohl aber nicht um die Rückzahlung ihrer Kredite an Zypern zu bangen. Der orthodoxe Erzbischof Chrysostomos II. ist einer der mächtigsten Männer im Inselstaat. Sein Büro ist jedenfalls so groß wie ein Tennisplatz - nur liegen schwere Perserteppiche auf dem Boden. Und er redet gern über finanzielle Dinge. "Uns geht es ja nicht so schlecht wie Griechenland. Hier haben die meisten Branchen gute Perspektiven", sagt Chrysostomos II. mit Verweis auf die viele Russen und Chinesen, die ins Land kämen, gegenüber der "Wiener Zeitung" (siehe Interview). Er lächelt, als er das sagt.
Doch damit nicht genug. Ende 2011 sind südlich von Zypern reiche Erdgasvorkommen entdeckt worden. Zypern nennt insgesamt 13 Offshore-Sektoren vor seiner Südküste sein Eigen. Das US-Unternehmen Noble Energy hat im Block 12 bereits eine Bohrinsel installiert. 4500 Meter unter dem Meeresboden fand Noble Energy ein Erdgasfeld mit einem geschätzten Umfang von 255 Milliarden Kubikmeter. Die Förderung soll 2018 beginnen.
Besser noch: Kürzlich vergab Zypern Forschungsrechte für die Blöcke 2, 3 und 9 an das italienisch-südkoreanische Konsortium Eni-Kogas. Zyperns Fiskus bekommt allein für diese Forschungsrechte umgehend rund 150 Millionen Euro von Eni-Kogas. Der letzte Deal: Mitte voriger Woche unterzeichnete Nikosia ein Abkommen mit dem französischen Energieriesen Total für Forschungen in den Blöcken 10 und 11. Dort vermuten Experten weitere 150 bis 240 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Und: Darunter werden Ölvorkommen vermutet.
Energieschub
An Zyperns Südküste soll zudem bis 2019 ein Gasterminal errichtet werden, wo das geförderte Gas verflüssigt und in Tankern nach Westeuropa transportiert werden soll. Kostenpunkt: bis zu sieben Milliarden Euro. Auch Erdgas aus den Fördergebieten Israels und des Libanon könnte künftig in Pipelines nach Zypern fließen, dort verflüssigt und verschifft werden, so Zyperns ambitionierte Pläne.
Der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft (Kretik) zufolge belaufen sich allein die Gasvorkommen in den zypriotischen Offshore-Sektoren auf mindestens 1,8 Billionen Kubikmeter. Laut einer Studie der Royal Bank of Scotland (RBS) beträgt der Marktwert der zypriotischen Gas- und Ölvorkommen mehr als 600 Milliarden Euro. Davon könnte Zyperns Fiskus etwa die Hälfte einstreichen - ungefähr das Zwanzigfache des aktuellen Staatsschuldenstands Zyperns. Ist Zypern wirklich eine wie von Spöttern derzeit verhöhnte Pleiteinsel? Oder etwa bald eine wahre Schatzinsel? Schon hat der neue Präsident der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, laut über die Einrichtung eines Sonderkontos nachgedacht. Dort sollen nach Ansicht des Niederländers die Einnahmen aus der Gasförderung eingehen, um Zyperns Staatsschulden zu bedienen.
Feststeht: Die Stunde der Wahrheit schlägt für das derzeit klamme Zypern schon heuer. Am 3. Juni muss das angeschlagene Euro-Land eine Staatsanleihe in Höhe von 1,415 Milliarden Euro ablösen. Immerhin: Russlands Ministerpräsident Dmitiri Medwedew stellte dem traditionell befreundeten Zypern unverhohlen in Aussicht, "unter bestimmten Bedingungen" weitere fünf Milliarden Euro bereitzustellen. Schon 2011 hatte Russland Zypern mit einem 2,5 Milliarden-Euro-Kredit aus der Patsche geholfen. Ohnehin würden viele Zyprioten lieber Geld von Moskau als von Brüssel nehmen. Erzbischof Chrysostomos nimmt sich auch in diesem Punkt kein Blatt vor den Mund: "Ich bin überzeugt davon, dass uns der Kreml mit einem Kredit helfen würde, falls es die EU nicht tut. Notfalls werde ich selbst nach Moskau reisen, um Präsident (Wladimir) Putin zu treffen. Wir haben beste Kontakte zum Kreml."