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Zypern zeigt: Europa braucht die Bankenunion rasch

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Ein Staat ist pleite, die Sparer zahlen - die ungewollte Botschaft der Eurogruppe.


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Die Zypernkrise ist nicht ansatzweise ausgestanden, dennoch kann man gefahrlos konstatieren, dass im europäischen Krisenmanagement so gut wie alles falsch gemacht wurde. Es stimmt schon, dass vor allem die Zyprioten sich lange einer vernünftigen Lösung versperrt hatten.

Und trotzdem ist es unverzeihlich, dass die Euro-Finanzminister vergangenes Wochenende akzeptiert hätten, dass Spareinlagen unter 100.000 Euro angetastet werden. Notfalls hätten sie eben unverrichteter Dinge abreisen und Zypern ohne Deal heimschicken müssen - das Problem wurde ohnehin seit Juni 2012 verschleppt. Dass es zu keinem Ansturm auf Banken in Italien, Spanien und Co. gekommen ist, war Glück und ist dem günstigen Moment geschuldet. Es hätte aber schwer ins Auge gehen können.

Immerhin sollte jetzt allen bewusst sein, dass die europäische Einlagensicherung nichts ist, das man auf die lange Bank schieben kann. Auch EZB-Chef Mario Draghi sollte seine Meinung von November 2012, dass die Einlagensicherungssysteme auch in nationaler Verantwortung verbleiben können, erneut überdenken. Nur ein tragfähiges Sicherungssystem für den ganzen Euroraum wird jetzt noch glaubwürdig sein.

Und obendrein sollten sich Sparer prinzipiell gut überlegen, welcher Bank sie ihr Geld anvertrauen wollen - und ob hohe Zinsen das Risiko wirklich wert sind.

Warum nicht ein "Soli"?

Massiver Schaden ist auch dadurch entstanden, dass der geplante "Bail-in" der Bankeinlagen von den Euro-Finanzministern als Vermögenssteuer verkauft wurde.

Warum? Weil jeder vernunftbegabte Zuhörer daraus die Schlussfolgerung zieht: Wenn ein Staat in finanzielle Schieflage gerät, muss notfalls das private Vermögen dran glauben. Bisher wurden Überlegungen, dass Haushalte so direkt geschröpft werden könnten, um staatliche Budgetlöcher zu stopfen oder Schuldenberge abzutragen, nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit ventiliert. Jetzt trägt die Eurogruppe das mit einem eigenen Kommuniqué an die Öffentlichkeit. Schlau?

Nur ein Beispiel: Italien hat vermögende Haushalte, aber hohe Staatsschulden. Wer kann jetzt noch glaubhaft dementieren, dass es nicht auch in Rom so kommt, wenn es hart auf hart geht?

Oder wie glaubwürdig sind künftig Beteuerungen, dass wohlhabenden Sparern des "Nordens" nicht Ähnliches als Solidaritätsbeitrag für die kriselnde Euro-Peripherie abverlangt werden könnte? Die europäische Integration ist als ökonomische Aufgabe durchaus vergleichbar mit der Wiedervereinigung Deutschlands. Dort gibt es den "Soli" schon seit 22 Jahren.

All das ist - wohlgemerkt - kein Szenario, sondern pure Spekulation. Allerdings Spekulation, die sich neuerdings auf den Präzedenzfall Zypern berufen kann. Wegen lächerlicher 5,8 Milliarden.

Die Kommunikation hätte völlig anders laufen müssen: Zyperns Finanzsektor ist kaputt und nicht rettenswert. Punkt. Wer dort Geld eingesetzt hat, hat hoch gepokert und verloren. Pech. Deshalb werden Bankeigentümer, Anleiheninhaber und, wenn das nicht reicht, Sparer zur Kasse gebeten. In dieser Reihenfolge.

Übrigens hat Dänemark das 2011 gemacht: Bei Amagerbanken und Fjordbank Mors mussten Spareinlagen über 100.000 Euro einen Haircut hinnehmen. Ohne Aufsehen ist das gelaufen, weil die Dänen seit 2010 effiziente Regeln haben, wie Pleitebanken übers Wochenende ordentlich und fair abgewickelt werden. Aufsicht, Einlagensicherung, Abwicklungsregime: Das sind drei Pfeiler, auf denen Europas Finanzsystem stehen muss. Und zwar nicht irgendwann, sondern bald.