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Zyperns Offshore-Segen

Von WZ-Korrespondent Frank Nordhausen

Wirtschaft

Bei Probebohrungen südlich der Insel hat ExxonMobile gigantische neue Gasreserven entdeckt. Dies führt zu Spannungen mit dem türkischen Teil Zyperns - Ankara erhebt ebenfalls Anspruch auf Explorationsrechte in dem Gebiet.


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Nikosia. Nach der Entdeckung weiterer reicher Erdgasvorkommen im Meer südlich von Zypern hat Präsident Nikos Anastasiades die Bildung eines Erdgas-Fonds angekündigt. Die Gewinne durch die Gasverkäufe sollten sowohl den griechischen wie den türkischen Zyprioten zugutekommen, sobald die Teilung der Mittelmeerinsel überwunden sei. "Das ist ein freudiges Ereignis, dass Zypern einen starken Auftritt auf der Landkarte verschafft", sagte Anastasiadis am Freitag. Indirekt machte er klar, dass die sensationellen Energiefunde auch politische Folgen zeitigen könnten.

Am Tag davor hatten die Regierung der griechischen Republik Zypern und der US-Konzern ExxonMobile mitgeteilt, dass bei den jüngsten Probebohrungen im Seegebiet "Glafkos" ein gigantisches Gasfeld entdeckt worden sei. "Es ist der drittgrößte Gasfund weltweit innerhalb der letzten zwei Jahre", sagte Energieminister Giorgos Lakkotrypis; man vermute Reserven von bis zu 227 Milliarden Kubikmeter und erwarte Gewinne in Höhe von mehr als 40 Milliarden Euro. Vor der Südküste Zyperns waren bereits in den vergangenen Jahren zwei kleinere Gasfelder mit geschätzt zusammen rund 230 Milliarden m3 gefunden worden. Zypern plant im Verbund mit Ägypten, Israel und Griechenland eine "East-Med-Pipeline" bis nach Italien.

Militärische Muskelspiele

Die neue Entdeckung könnte zwar die bisher auf Tourismus, Finanz- und Landwirtschaft gestützte Ökonomie des EU-Mitglieds revolutionieren, doch politisch verursacht sie Kopfzerbrechen, denn sie heizt die Spannungen zwischen Ankara und Nikosia an. Die türkische Regierung ist die Schutzmacht der außer von ihr von keinem anderen Staat anerkannten "Türkischen Republik Nordzypern". Die Insel ist seit einem griechischen Putsch und einer anschließenden türkischen Invasion 1974 geteilt. Seit den ersten Funden vor acht Jahren kritisiert Ankara die Erdgassuche ohne vorherige Lösung der Zypernfrage und verlangt die Beteiligung der türkischen Zyprioten an der Ausbeutung der Energiefelder.

Die international anerkannte Regierung Südzyperns weist diese Ansprüche bisher mit dem Argument zurück, es sei ihr Recht als souveräner Staat, solche Erkundungen durchzuführen. Ankara konterte mit Machtdemonstrationen. Vor einem Jahr blockierten türkische Marineschiffe zweimal ein italienisches Erkundungsschiff, das sein Bohrvorhaben daraufhin abbrechen musste. Auch die Erkundungen von ExxonMobile hatte Ankara scharf kritisiert, aber von Blockademaßnahmen abgesehen, nachdem die USA Kriegsschiffe in die Region schickten.

Türkische Begehrlichkeiten

Derzeit rüstet die Türkei ihre Marine in beispiellosem Ausmaß auf, und vergangene Woche kündigte der Außenminister Mevlüt Cavusoglu an, sein Land werde jetzt in dem fraglichen Seegebiet ebenso Probebohrungen durchführen. Die Energievorkommen im östlichen Mittelmeer und in der Ägäis blieben "ein strategisches Ziel und eine nationale Angelegenheit", sagte er. "Nichts kann im Mittelmeer ohne die Türkei gemacht werden, wir werden es nicht erlauben." Momentan führen rund 130 türkische Kriegsschiffe ihr historisch größtes Seemanöver unter anderem vor der Küste Zyperns durch.

Die Erdgasfunde bringen damit eine neue Dynamik in die ungelöste Zypernfrage. "Sie können ein Segen für Zypern sein, denn sie bedeuten, dass der Druck auf Nikosia massiv steigt, eine Einigung mit dem Norden herbeizuführen, was sie bisher verschleppen", sagt der Politikwissenschafter Hubert Faustmann, Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Nikosia. "Zumindest ein Abkommen mit Nordzypern wird nun dringend gebraucht, um die Vorräte ausbeuten zu können." Sonst sei schlimmstenfalls sogar ein militärischer Konflikt möglich. "Die Türkei ist fest entschlossen, die Ausbeutung sämtlicher Vorkommen um Zypern ohne ihre Zustimmung und ohne Beteiligung der türkischen Zyprioten zu verhindern."

Washington macht Druck

Nachdem die bislang letzten Wiedervereinigungsgespräche im vergangenen Sommer vor allem an der starren Haltung der Zyperngriechen scheiterten, geht Nikosia im Moment auf den Norden zu. Am Dienstag vereinbarten der griechisch-zyprische Präsident Anastasiadis und sein türkisch-zyprischer Amtskollege Mustafa Akinci überraschend eine Reihe vertrauensbildender Maßnahmen. Sie erklärten, endlich die Mobilfunk- und Elektrizitätsnetze beider Seiten miteinander verbinden zu wollen, was bereits 2015 beschlossen, aber nie umgesetzt wurde. Außerdem wurden eine Reihe weiterer Schritte wie die gemeinsame Räumung von Minenfeldern vereinbart.

"Anastasiadis handelt, weil er unter erheblichem Druck der USA steht, die klar gesagt haben, dass sie die UN-Friedenstruppen aus Zypern Mitte nächsten Jahres abziehen wollen", sagt Politologe Faustmann. "Deshalb drängt ihn die UNO, endlich etwas für die Lösung der Zypernfrage zu tun. Wenn er sich nicht bewegt, werden die Truppen abgezogen." Dann stünde die Republik Zypern ohne Schutz da. Bisher hat Anastasiadis auf Zeit gespielt, aber jetzt wird die Zeit knapp.