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Ein zerrissenes Land führt den EU-Vorsitz: Die Teilung der Mittelmeerinsel rückt bei den wirtschaftlichen Sorgen des Staates aus dem Blickpunkt.
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Damals, in Athen, wollte Veli sehen, wie es wäre, dabei zu sein. Mitte April 2003 war der zypriotische Journalist in die griechische Hauptstadt gereist, wo sein Land gemeinsam mit neun anderen Staaten die Beitrittsverträge mit der EU unterzeichnete. Ein Jahr später wurde die Mittelmeerinsel Mitglied der Union, und nun führt sie da für sechs Monate den Vorsitz.
Doch auch jetzt kann Veli nur zuschauen. Er ist nämlich türkischer Zypriote. Er wohnt im Norden, in jenem Teil der Insel, der nur formell der EU beigetreten ist und wo das Regelwerk der Gemeinschaft nicht angewandt wird. Es ist die Türkische Republik Nordzypern, anerkannt lediglich von der Türkei, die dort noch immer an die 30.000 Soldaten stationiert hat. Für die griechischen Zyprioten ist es schlicht besetztes Gebiet. So sind ihre Landsleute aus dem Norden nicht wirklich in den Vorsitz eingebunden. Weder in die Arbeiten am Unionsbudget, die bestenfalls noch heuer abgeschlossen werden, noch in die Verhandlungen um internationale Finanzhilfen für zypriotische Banken noch in die Feierlichkeiten zur Übernahme der Präsidentschaft. Die fanden übrigens ebenfalls an einem Ort statt, wo Zypern nicht die Oberhoheit hat. Die Ausgrabungsstätte Kourion, mit ihrem griechisch-römischen Amphitheater und den Überresten von Tempeln, zwischen deren Säulen der Blick aufs Meer fällt, befindet sich auf einer britischen Militärbasis.
Ausländische Basen, eine UN-Friedensmission, mittlerweile so gut wie geräumte Minenfelder, Barrikaden und Sperrgebiete quer durch die Hauptstadt Nikosia: Zypern ist seit fast vierzig Jahren ein zerrissenes Land, dessen Wiedervereinigung nicht in Sicht ist. Junge Menschen, aufgewachsen in ihrem jeweiligen Teil der Insel, kennen gar keine andere Situation: Die Geschichten vom Zusammenleben können sie sich höchstens von ihren Eltern und Großeltern anhören - auch wenn etliche türkische Zyprioten täglich in den Süden zum Arbeiten pendeln oder ihre Kinder dort in die Schule schicken.
Dennoch solle dieses Problem nicht ihren Vorsitz belasten, versichern griechische Zyprioten immer wieder in Brüssel. Ebenso wiegeln sie Befürchtungen ab, die Türkei könnte einen reibungslosen Ablauf der Präsidentschaft eines Landesteils, den sie nicht anerkennt, torpedieren. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara sind sowieso fast zum Stillstand gekommen. Außerdem plagen Nikosia derzeit auch andere Sorgen. Durch die enge wirtschaftliche Verflechtung mit Griechenland ist Zypern selbst in ökonomische Schwierigkeiten geraten und hat um internationale Notkredite angesucht. Das Geld wird wieder großteils in den Süden fließen. Der isolierte Norden bleibt finanziell stark von der Türkei abhängig.
Im Vergleich zu den milliardenschweren Finanzprogrammen nehmen sich die Hilfsmaßnahmen der EU für den Norden bescheiden aus. Knapp 300 Millionen Euro waren 2006 bis 2011 vor allem für Infrastrukturprojekte vorgesehen. Eines der größten Vorhaben, die Errichtung einer Meereswasser-Entsalzungsanlage, ist allerdings gescheitert - an Zugangsbeschränkungen zu der möglichen Baustelle.