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Zyprioten blasen Trübsal

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Bangen um wirtschaftliche Zukunft - Medien orten "Krieg um Spareinlagen".


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Nikosia. Jannis Georgiou trinkt auch an diesem Montagmorgen seinen geliebten zypriotischen Mokka in seinem Stammcafé in der Altstadt von Nikosia. Dem strahlenden Sonnenschein zum Trotz: Der redselige Rentner ist ernüchtert - so wie die meisten seiner Landsleute an diesem Tag. Über die Entscheidungen der Eurogruppe zur Rettung Zyperns, die nach einer dramatischen Sitzung in der Nacht auf Montag im fernen Brüssel gefällt wurden, diskutiert Georgiou heftig mit seinem Tischnachbarn. "Das sind sehr harte Entscheidungen. Wir steuern auf eine Katastrophe zu", warnt er. "Gott helfe uns", pflichtet ihm ein anderer Gast bei.

Der Grund, dass die Zyprioten Trübsal blasen: Die Geldgeber-Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds sowie die zypriotische Regierung unter dem konservativen Staats- und Regierungschef Nikos Anastasiadis haben sich zwar in der Nacht auf Montag abermals auf einen Rettungsplan für den Inselstaat geeinigt, der vorsieht, dass das zweitgrößte Geldinstitut des Landes, die Laiki Bank, sofort geschlossen und abgewickelt wird. Spareinlagen bis 100.000 Euro werden generell nicht an dem finanziellen Rettungspaket beteiligt. Dafür werden Aktionäre, Anleihegläubiger und Einleger beider großer Banken und damit auch der Bank of Cyprus in erheblichem Umfang beteiligt. Im Gegenzug erhält das pleitebedrohte Zypern einen Troika-Kredit im Volumen von zehn Milliarden Euro.

Der Tag danach, das ist in Zypern ein Nationalfeiertag. Wie jedes Jahr werden im ganzen Land Paraden abgehalten. In der Leoforos Vyronos im Herzen Nikosias marschieren Schüler, Kriegsveteranen und Pfadfinder. Traditionell melden sich Politiker zu Wort - und Zyperns mächtiger Erzbischof Chrysostomos II. Auch diesmal sprach Chrysostomos in die Mikrofone. "Auf uns warten schwere Zeiten. Der Hunger wird zunehmen, auch die Verzweiflung. Aber ich will es wieder sagen: Unser Volk kann verschwenderisch sein, aber auch sehr bescheiden leben."

Sichtlich bedrückt meinte Parlamentspräsident Jannakis Omirou: "Den heutigen Nationalfeiertag erleben wir Zyprioten in einer sehr kritischen Phase unserer Geschichte. Leider erfahren wir von unseren EU-Partnern statt Unterstützung und Solidarität nur Erpressung, Galle und Essig. Unsere Antwort darauf lautet: nationale Souveränität, Selbstbewusstsein und Widerstand."

"Das war eine schreckliche Erniedrigung, eine Kollektivstrafe für uns Zyprioten", polterte der Abgeordnete Pambos Papageorgiou von der linken Akel-Partei. Auch er hatte am vorigen Dienstag die Zwangsabgabe auf Spareinlagen in Zyperns Parlament niedergestimmt.

Anti-deutsche Proteste

Unterdessen ebben in Nikosia die Proteste gegen die Troika nicht ab. Als die dramatische Sitzung der Eurogruppe am späten Sonntagabend in Brüssel ihren Anfang nahm, brachten hunderte Menschen vor der EU-Vertretung in Nikosia ihren Protest zum Ausdruck. Sie skandierten: "Raus aus dem Euro!" Und: "Unabhängigkeit, Freiheit, Demokratie!" Wie schon in den vergangenen Tagen waren wieder anti-deutsche Parolen zu hören. Auf Protestschildern stand zu lesen: "Nein zum Vierten Reich!"

Im Ort Polemidia detonierte ein Sprengsatz in einer Filiale der Bank of Cyprus. Zwei Unbekannte zerschlugen die Glastür, drangen in die Filiale ein und deponierten den Sprengsatz im Innern des Gebäudes. Es entstand nur geringer Sachschaden. Beobachtern zufolge soll die Tat im Zusammenhang mit den von der Troika gestellten Bedingungen für Zyperns Bankenrettung verübt worden sein.

Dem Anschlag zum Trotz liefen am Montag die Vorbereitungen für die für heute anvisierte Öffnung der Banken auf Hochtouren. Zyperns Geldinstitute sind bereits seit dem 15. März geschlossen.

Im scharfen Kontrast zur Stimmung im Lande versuchte Zyperns Finanzminister Michalis Sarris Zuversicht zu versprühen. Er sinnierte dabei über Zyperns Wirtschaftsgeschichte: "Am Anfang war Zypern ein Produzent von Kupfer. Es folgten die Agrarwirtschaft und Viehzucht sowie zuletzt die Dienstleistungen. Jetzt brauchen wir ein neues Geschäftsmodell."

Der Ex-Topbanker der Laiki Bank, die nun abgewickelt werden soll, wies mit Blick auf die Gasvorkommen vor Zyperns Südküste schon den Weg aus der Sackgasse: "Das neue Kapitel heißt Energiewesen", erklärte Sarris. Feststeht aber: Bis das klamme Euroland die ersten Gas-Einnahmen verbuchen kann, werden mindestens fünf Jahre verstreichen.

Griechen fliegen Zypern an

Derweil meldeten die zypriotischen Medien in großer Aufmachung, dass ausländische Banken bereits um die geschröpften Kunden von Zyperns Banken buhlen. Ihr Ziel sei es, dass die geschockten Kontoinhaber ihre Gelder in andere Länder manövrieren. "Der Krieg um die Spareinlagen auf Zypern ist bereits im vollen Gange", berichtete die auflagenstärkste Tageszeitung "Fileleftheros".

Auch auf dem Athener Airport "Eleftherios Venizelos" herrschte am Montag Hochbetrieb. Zahlreiche Griechen, die im Laufe der Krise im eigenen Land aus Angst vor einem Zusammenbruch des griechischen Bankensystems ein Konto im Bruderland Zypern eingerichtet hatten, machten sich nun auf den Weg dorthin. Man muss kein großer Prophet sein, um zu erahnen, was sie heute in Zypern als Erstes tun werden.