Archiv: Gastkommentare
- Die Ursachen des Rechtsrucks
Die zunehmende Entertainisierung unseres Lebens hat auch den Wahlkampf beeinflusst. Strache und Haider haben davon profitiert - und von der kollektiven Knappheitsangst.
- Mittelwert und Mittelmaß
An den heimischen Universitäten sind Überfluss und Mangel gleicher-maßen vorhanden. Während einige Studienfächer mehr recht als schlecht überleben, sind andere überlaufen.
- Die Lehren aus der Nationalratswahl
Mit der gebotenen Vorsicht - die Briefwahlstimmen werden erst in einer Woche ausgezählt sein - darf jetzt schon festgestellt werden: Als Ergebnis eines besonders geistlosen Wahlkampfes obsiegten die Vertreter auf kurzfristige politische Lösungen konzentrierter Kräfte. Die politischen Strukturen, die die Zweite Republik geprägt haben, wurden geltungslos: Eine Existenzberechtigung der "großen" Koalition ist dahin. Die wenigen Wahlwerber, die mit - wenn auch nur sehr verschwommenen - längerfristigen politischen Konzepten angetreten sind, mussten beträchtliche Misserfolge verzeichnen.
- Die Bestrafung der Gaukler
Dieser Wahlkampf ließ viele Wähler ratlos zurück. Die alten programmatischen Gegensätze schienen nicht mehr zu gelten und waren stattdessen von einem neuen Gegensatz - Populismus versus Nicht-Populismus - überlagert. Offensichtlich war Programmatik durch professionelle Public Relations ersetzt, zudem mangelte es an überzeugenden Persönlichkeiten.
- Raubritterinnen im Wahlkampf
Das Renner-Institut lud unlängst zum Podiums- und Publikumsgespräch "Arbeit - Bildung - Wirtschaft: Mehr Chancen für Frauen" ein. In Vorwahlzeiten ein Pflichttermin für Betriebsräte im Einzelhandel, wo überwiegend Frauen in niedrig bezahlten Positionen beschäftigt werden.
- Die Selbstdemontage des Hans D.
Zwei machten sich auf den Weg, verzweifelt nach Mitstreitern suchend: ein großer, alter Medienmann, der aus einem Kleinformat eine Großzeitung geformt hatte, und ein Parteipolitiker, dem das Talent nachgesagt wird, sich rasch durchschlängeln zu können.
- Friedrich Nietzsche, reloaded
"Sozialismus ist, zu Ende gedacht, die Tyrannei der Dümmsten, Geringsten, Oberflächlichen und Dreiviertel-Schauspieler." Diese scharfen Worte schrieb Friedrich Nietzsche über den gerade entstehenden Sozialismus. Er prognostizierte eine Nivellierung nach unten, die der Sozialismus einleiten würde. Das Zitat ist zweifellos starker Tobak - aber steckt nicht auch ein Körnchen Wahrheit darin?
- Wagte Georgien einen Präventivschlag?
Für den früheren deutschen Außenminister Joschka Fischer ist Georgiens Präsident Michail Saakaschwili ob seines Versuchs, die abtrünnige Provinz Südossetien (und vielleicht auch Abchasien) mit Waffengewalt, aber unzulänglichen Mitteln vor den Augen ihrer Schutzmacht Russland "heimzuholen", ein verantwortungsloser Narr. Und es dürfte in Europa wie in den USA wenige Außenpolitik-Experten und noch weniger Militärs geben, die ihm widersprechen würden - angesichts der für Georgien vernichtenden Ergebnisse dieses Versuchs. Moskau tut alles, um die Weltöffentlichkeit in dieser Meinung zu bestärken. Die EU scheint dem allen nicht ganz zu trauen und will prüfen lassen, wer denn nun die Georgien-Krise wirklich ausgelöst hat.
- Das IOC und die "chinesische Eigenart"
Gebannt verfolge ich wie bis zu zwei Milliarden Menschen im TV die Olympischen Spiele in Peking - speziell die Bewegungsabläufe der Spitzenathleten in Zeitlupe. Diese grandiose Leistungsschau tröstet mich darüber hinweg, dass wir dieses Ereignis jenem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) verdanken, dessen Vorgangsweise dem Versuch gleichkommt, Jungfrau und Prostituierte zugleich zu sein.
- Die großen Chancen der Kleinen
Die Dreierkoalition als neue Variante der Regierungsbildung scheint vor der Tür zu stehen - auch die "Italienisierung" der heimischen Innenpolitik ist nicht mehr nur ein Slogan.
- Russland bleibt Europas Feind
Was gaben russische Politiker immer offen zu? Ziel der russischen Politik ist, Russland in den Grenzen der ehemaligen UdSSR wiederherzustellen. Das heißt Gelegenheiten abzuwarten, sich Belarus, Ukraine, Estland, Lettland, Litauen, Georgien etc. wieder einzuverleiben.
- Geschäfte mit den Mullahs
Vor einigen Wochen gab der französische Energie-Multi Total bekannt, er werde geplante Milliardeninvestitionen im Iran stoppen. Das politische Risiko für Geschäfte im Mullah-Staat sei zu hoch geworden. Shell und die spanische Repsol hatten Ähnliches bereits im Mai verkündet. Die OMV zeigt sich von derartigen Verlautbarungen allerdings unbeeindruckt. Genauso wie Österreichs Regierung, die derartige Geschäfte weiterhin unterstützt.
- Die kommunalen Preistreiber
Die Nachricht, in Österreich seien die Verbraucherpreise im zweiten Halbjahr 2007 rascher als in der Eurozone gestiegen, hat verständlicherweise die Politik aufgeschreckt und Nationalbank, Wettbewerbsbehörde und Wettbewerbskommission dazu gebracht, Ursachenforschung zu betreiben. Neben der dominierenden "importierten" Inflation dürften Mitnahmeeffekte eine der heimischen Ursachen sein. In einem Umfeld sich beschleunigender Inflationsraten ist es leichter, Preiserhöhungen durchzusetzen und auch zu begründen.
- Der Nordkaukasus bleibt die Problemregion für Dmitri Medwedew
Der neue russische Präsident sollte sich vor allem um die Krisenherde Inguschetien und Tschetschenien kümmern. Was sein Vorgänger dort hinterlassen hat, bedarf einer tiefen Änderung.
- Kassen: Der sogenannte Arbeitgeberbeitrag
Der klügste Gedanke des bisherigen Vorwahlkampfes stammt von Christoph Leitl, der die Verheißung aussprach, die Wirtschaftskammer könnte sich aus den Krankenkassen der Arbeitnehmer zurückziehen. Dort hat sie nämlich wirklich nichts verloren. Die gesetzliche Krankenversicherung der Arbeiter und Angestellten wird durch die Beiträge ihrer Zwangsmitglieder finanziert. Diese und ihre Vertreter (Betriebsrat, Gewerkschaften, Arbeiterkämmerer) sollten auch über Organisation und Leistung ihrer Kasse entscheiden.
- Obama verzückt Europas Linke - ein Irrtum
Barack Obama ist als Liberaler in den Wahlkampf gegangen und wird ihn als Konservativer beenden. In den USA kann nur gewählt werden, wer die politische Mitte sucht, die nationalen Interessen hoch hält und bereit ist, diese auch mit militärischen Mitteln zu verteidigen.
- Ein neues Wort geht um: "Parlamentsdiktatur"
Selten ist die parlamentarische Demokratie so angegriffen worden wie in der Diskussion um die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages. Im Parlament vertretene Parteien haben die Kompetenz zur Ratifizierung in Frage gestellt. An Stelle einer verfassungskonformen Vorgangsweise wurde von ihnen mit lebhafter Unterstützung des Boulevards eine nur für Ausnahmefälle vorgeschriebene Volksabstimmung verlangt - in der unausgesprochenen Hoffnung, dass sich auf diese Weise ein parteipolitischer Vorteil auf Kosten der Zukunft Österreichs in Europa gewinnen ließe.
- Kerneuropa ist toll - wenn man nicht dabei ist
Als Reaktion auf das Nein der Iren zum Reformvertrag kommen bisweilen Vorschläge, die das Rechtsverständnis der Akteure bezweifeln lassen: Es gibt einen rechtsgültigen Vertrag für die EU, nämlich den Vertrag von Nizza. Dessen Änderung ist nur mit Zustimmung aller EU-Staaten möglich, nach dem Nein der Iren also derzeit unmöglich. Nicht die Iren haben den bestehenden Vertrag verletzt, sondern es kündigen jene, die jetzt den Iren drohen, ihre Absicht zum Bruch des gültigen Vertrages an.
- Eine positive Botschaft für Simbabwe
Jüngst brüskierte Robert Mugabe die internationale Gemeinschaft, als er erklärte, "sie können schreien, so laut sie wollen", aber von dem Vorhaben, Wahlen durchzuführen, werde er nicht im Geringsten abrücken, da die Bürger selbst entscheiden sollten. Es fällt mir sehr schwer, Mugabe darin - wenn auch nur zum Teil - zuzustimmen.
- Quo vadis, EU-Reformvertrag?
Zweites irisches Referendum wäre hochriskant. | Werden die Ratifikationsverfahren vor der EU-Wahl 2009 entschieden? | Nachdem bereits 18 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) den Vertrag von Lissabon ratifiziert hatten, lehnte ihn das irische Volk am 12. Juni in einem obligatorischen Referendum mit 53,4 Prozent Nein-Stimmen deutlich ab.
- Aut idem, Konfuzius und ein Marionettentheater
"Demokratie ist ein miserables System", befand Winston Churchill und fügte hinzu: "Aber wir haben kein besseres." So fühlt auch der genervte Österreicher, wenn er das Koalitionstheater durchleidet: Streit, "Neustarts", Bruch von Wahlversprechen und des Koalitionspakts - fortgesetztes "aut idem" also; nämlich Stillstand "oder Gleiches" in einem parteipolitischen Eiertanzturnier um die dringenden Großreformen.
- Mit Phrasen lassen sich keine Kriege verhindern
Unter dem Titel "Europas Weg zu einer neuen Verfassung" hat Leo Gabriel in einem Gastkommentar in der "Wiener Zeitung" am 26. Juni die üblichen Vorurteile gegen die EU bestens bedient und Reklame für das Europäische Sozialforum gemacht. Dessen Charta beinhaltet den "denkwürdigen" Satz, dass das Europa der Völker militärische Gewalt ausschließt.
- Allianzen und Rivalitäten
Selten zuvor hatte die Politik in Österreich so viele taktische Optionen wie derzeit. | Die wichtigste Frage ist: Wer sind die künftigen Spitzenkandidaten von SPÖ und ÖVP?
- Die Bundesregierung verharrt in Untätigkeit
Wieder einmal geistert das Neuwahlgespenst durch Österreich. Während die SPÖ nur noch über einen Bundeskanzler mit beschränkter Haftung verfügt, beschäftigt sich auch die ÖVP nur noch mit internen Personalrochaden. Auf Bundesebene herrscht offiziell Missstimmung zwischen den beiden Regierungsparteien, was sie allerdings interessanterweise nicht daran hindert, in Tirol eine Koalition der Wahlverlierer zu bilden. Untätig bleiben sie da wie dort.
- In Wahrheit geht es nicht um Lissabon
Der Schock über die Ablehnung des Lissabon-Vertrages durch die Iren hat sich gelegt. Es ist weder richtig noch klug, die Iren zu züchtigen und an den Pranger zu stellen. Sie haben nur dem breiten Unbehagen über den Zustand des Integrationsprozesses Ausdruck gegeben. Die übrigen EU-Regierungen wussten, warum sie Referenden wie der Teufel das Weihwasser vermieden. Dieses Unbehagen zu verdrängen und zu leugnen und das irische Ergebnis nur auf Informationsmängel zurückzuführen, müsste die politische Legitimität des Integrationsgeschehens weiter aushöhlen. Die Grundlage des Integrationsprojektes bräche weg.