Wer in Österreich als Ghostwriter wissenschaftliche Arbeiten fabriziert, um seinem Auftraggeber zu einem akademischen Abschluss zu verhelfen, macht sich seit kurzem strafbar. Der Gesetzgeber beharrt darauf, dass ausschließlich eigenständige Leistungen zu einem erfolgreichen Studienabschluss führen können. Das ist nicht nur rigide, sondern fernab von jedem fortschrittlichen pädagogischen Denken. Folgte man diesem, könnte man darauf hinweisen, dass die Beauftragung eines Ghostwriters durch einen Studenten doch eine Reihe von Kompetenzen erfordert, die anerkannt werden sollten. Immerhin muss die gemeinsam mit dem Betreuer formulierte Forschungsfrage korrekt an den Ghostwriter weitergegeben werden, der Kandidat sollte sich die Grundthesen der nicht von ihm verfassten Arbeit in einem Maße aneignen, dass er darüber eine knappe Auskunft geben kann, ja, man könnte sich auch vorstellen, dass die Verteidigung einer Dissertation darin besteht, dass Prüfer, Kandidat und Ghostwriter einträchtig das vorliegende Elaborat kritisch reflektieren und etwaige Schwachstellen erörtern. Der Ghostwriter zahlt keine Strafe, sondern bekommt das wohlverdiente Honorar, der Student darf sich mit dem heiß ersehnten Doktortitel schmücken und der Prüfer kann sich in dem Gefühl sonnen, ungemein aufgeschlossen und modern zu sein.

Ein frivoles Gedankenspiel? Weit gefehlt! Alle diese Vorschläge wurden in den letzten Wochen gemacht, um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Unterricht zu rechtfertigen. Programme wie das viel diskutierte ChatGPT arbeiten wie ein Ghostwriter. Die Vorstellung, Bildung könne sich darin erschöpfen, Arbeitsaufträge an einen Algorithmus zu delegieren und über das Ergebnis ein bisschen zu palavern, ist schlechterdings grotesk. Dass dies ernsthaft erwogen wird, lässt tatsächlich an so mancher natürlichen Intelligenz zweifeln. Komplexe KI-Programme eröffnen keine Wege zur Bildung, sie simulieren diese einfach. Wer sich dahinter versteckt, täuscht etwas vor, was ihm nicht zukommt.
Aber der Fortschritt! Wie kann man sich einer avancierten Technologie verweigern, ohne ins Mittelalter zurückzufallen? Erstaunlich, dass die aktuellen, von jungen Menschen forcierten Klimadebatten kaum den Horizont für grundsätzliche Fragen in Hinblick auf technologische Innovationen eröffnen. Geht es um die Biosphäre, gilt heute das, was noch vor wenigen Jahrzehnten als technischer Fortschritt gepriesen und durchgesetzt wurde, als Wurzel allen Übels. Wer sich seinerzeit gegen die autogerechte Stadt aussprach oder die Einstellung von Regionalbahnen kritisierte, wurde als der gleiche antimoderne Romantiker denunziert wie derjenige, der gegenwärtig die Schattenseiten der Digitalisierung thematisieren will. Auch die technisch avancierte Nutzung fossiler Brennstoffe hatte viele Wünsche erfüllt: grenzenlose Mobilität, günstige Energie, praktische Kunststoffe, Wohlstand und warme Wohnungen im Winter. Und dennoch soll es ein Irrweg gewesen sein.
Der Philosoph Günther Anders präludierte seine Reflexionen über das Verhältnis des Menschen zu technischen Medien gerne mit einer "Kindergeschichte": Einem König gefällt es gar nicht, dass sein Sohn abseits der Straßen das wilde Gelände erkundet, um sich selbst ein Urteil über die Welt zu bilden. Er schenkt ihm deshalb Pferd und Wagen: "‚Nun brauchst du nicht mehr zu Fuß gehen‘, waren seine Worte. ‚Nun darfst du es nicht mehr‘, war deren Sinn. ‚Nun kannst du es nicht mehr‘, deren Wirkung." Wer Heranwachsende mit einer faszinierenden KI ausstattet und frohlockend verkündet, dass sie sich nun selbst kein Wissen mehr aneignen müssten, ist solch ein König. Die Wirkung seiner Worte? Eine untergejubelte Unmündigkeit.