Was wurde nicht schon alles in das Kürzel AEIOU hineininterpretiert, in jenes Zeichen, das Friedrich III. an Gebäuden und Gegenständen anbringen ließ; es galt als Staatsdevise der Habsburger und Österreichs insgesamt, zum Beispiel: "Alles Erdreich ist Österreich untertan." Oder plausibler, weil mit O statt Ö: "Austria erit in orbe ultima."

Der Historiker Alphons Lhotsky räumte in den 1950ern mit den Mythen auf: AEIOU sei ein persönliches Monogramm, eine Art abergläubisches Besitzzeichen des Monarchen gewesen. Deshalb könne die Aneinanderreihung der fünf Vokale, hineingesetzt in eine Schlinge, nicht mit den Anfangsbuchstaben der Wörter eines Satzes erklärt werden. Lhotsky, der Doyen der österreichischen Mittelalterforschung, berief sich auf eine Bemerkung im persönlichen Notizbuch des Herrschers: "Bei welchem Bau oder auf welchem Silbergeschirr oder Kirchengewand oder anderen Gegenständen der Strich und die fünf Buchstaben stehen, das ist mein, Herzog Friedrich des Jüngeren, gewesen oder hab das selbst bauen oder machen lassen."
Eine gegenteilige These vertritt nun der deutsche Historiker Konstantin Moritz Langmaier. In einem wissenschaftlichen Beitrag, der jüngst in Graz präsentiert wurde, referierte er das Ergebnis seiner Forschungen. "Wissenschaftssensation", titelte die "Kleine Zeitung", "Rätsel um AEIOU ist nach 500 Jahren gelöst": Es sind laut Langmaier sehr wohl Anfangsbuchstaben: "En, amor ellectis, iniustis oridor ultor / Sic Fridericus ego rengna mea rego." Auf Deutsch: "Seht, ich bin geliebt von den Erwählten, ich bin gefürchtet von den Ungerechten, also regiere ich, Friedrich, rechtmäßig" - eine Art Herrschaftslegitimation. Friedrich III. habe sich damit schon in jungen Jahren "als allseits anerkannter Konfliktverwalter, konsensual agierender Mediator, Schlichter, Partner der Fürsten, Wahrer des Rechts, Schutzherr der ,kleinen‘ Reichsstände" präsentieren wollen. Lhotsky habe die Worte fälschlich für die Erfindung eines Zeitgenossen Friedrichs III. gehalten und damit den steirischen Herzog und späteren Kaiser als Urheber ausgeschlossen.
Der Text samt Abbildungen ist auf austria-forum.org abrufbar, Stichwort "AEIOU", dort ist der Link "Völlige Neuinterpretation von AEIOU durch Konstantin Moritz Langmaier" zu finden. Langmaier führt mehrere Belege für "En amor . . ." an, das spricht dafür, dass er richtig liegt. Er wollte nach eigenen Worten "nicht eine weitere Interpretation des AEIOU beisteuern", sondern quellenkritisch vorgehen. Dass er bekannte Quellen neu bewertet und auch solche außerhalb des österreichischen Raumes berücksichtigt, macht seinen Beitrag wertvoll. Langmaier räumt ein: "Ein methodischer Gegenbeweis dafür, dass das Vokalspiel für Friedrich III. nicht doch einen zahlenmythischen Hintergrund hatte, reine Kurzweil war oder einen ursprünglich ganz anderen Sinn haben sollte, lässt sich dabei jedoch kaum erbringen."
Jedenfalls hat Langmaier einen neuen und wertvollen Anstoß in der Forschungsdiskussion zu einem Symbol Österreichs gegeben. Wir werden sehen, wie die Wissenschaft darauf reagiert.