Ein Vorhaben der niederösterreichischen Landesregierung ist auf besonders heftige Kritik gestoßen: Im schwarz-blauen Arbeitsübereinkommen ist vorgesehen, dass in den Pausen und am Schulhof nur noch deutsch gesprochen werden darf. Dies ist angeblich ein Anreiz, Deutsch zu lernen und die Bildung von Parallelgesellschaften unter Schülern zu verhindern. Nach den Vorstellungen der Landesregierung in St. Pölten soll Deutsch als Pausensprache über die Hausordnungen beschlossen werden, im Rahmen der Schulautonomie, also in einer Zusammenarbeit zwischen Schülern, Eltern, Lehrern und Schulleitung. Autonomen Strukturen etwas vorschreiben zu wollen, ist eigentlich ein Widerspruch per se.

Robert Sedlaczek ist Autor zahlreicher Bücher über die Sprache, jüngst ist bei Haymon "Sprachwitze. Die Formen. Die Techniken. Die jüdischen Wurzeln. Mit mehr als 500 Beispielen" erschienen.
Robert Sedlaczek ist Autor zahlreicher Bücher über die Sprache, jüngst ist bei Haymon "Sprachwitze. Die Formen. Die Techniken. Die jüdischen Wurzeln. Mit mehr als 500 Beispielen" erschienen.

Dass das Konzept nicht flächendeckend realisiert werden kann, ist dem einen oder anderen Politiker bereits gedämmert: Die Grenzgebiete zu Tschechien und zur Slowakei müssen wohl ausgeklammert werden. Aber in den größeren Städten soll Deutsch als Pausensprache rigoros durchgesetzt werden.

Es gibt nicht nur juristische Bedenken, auch die Lehrer laufen dagegen Sturm, sie wollen keine Sprachpolizisten sein. Außerdem wird auch der Sinn der Maßnahme in Frage gestellt. Die Wissenschaft liefert keine Hinweise, dass Sprechverbote einen Anreiz darstellen, Deutsch zu lernen.

Das Vorhaben der Landesregierung läuft darauf hinaus, zu spalten. Hier die "guten" Sprachen wie beispielsweise das Englische als Lingua Franca und das Tschechische beziehungsweise Slowakische an den Grenzen, dort die "bösen" Sprachen der "Fremden": das Türkische oder Paschtu, also das Afghanische. Wer die "falsche" Muttersprache hat, soll sich ruhig ein wenig diskriminiert fühlen. Und was ist mit den Kindern der Kriegsflüchtlinge? Dürfen die ukrainischen Schüler in der Pause miteinander ukrainisch reden?

Nicht weniger schlimm ist: Mehrsprachigkeit wird implizit als Problem dargestellt, Einsprachigkeit zum Ziel erklärt. Wissenschaftliche Untersuchungen beweisen, dass Mehrsprachigkeit ein Gewinn ist. Wer mehrere Sprachen spricht, hat bessere Berufschancen und Vorteile im rationalen Denken, Kinder, die mit zwei Sprachen aufwachsen, können Informationen von einer Sprache auf die andere übertragen, sei es, um ihr Vokabular auszuweiten oder grammatische Strukturen besser zu verstehen.

Rund zwei Drittel der Österreicher ist zweisprachig, sie beherrschen mindestens eine Fremdsprache, hinzu kommt die "innere Mehrsprachigkeit", viele wechseln zwischen der österreichischen Standardsprache, einer dialektal gefärbten Umgangssprache und dem eigentlichen Dialekt hin und her. Eine Untersuchung unter Lehrern hat ergeben, dass diese ihre Schüler standardsprachlich unterrichten, aber dialektal tadeln. In einer Gesamtbetrachtung hat es Universitätsprofessor Rudolf de Cillia so auf den Punkt gebracht: Mehrsprachigkeit ist die Regel, Einsprachigkeit die Ausnahme.

Warum findet sich in einer Koalitionsvereinbarung ein verzopftes Konzept, das linguistisch und pädagogisch nutzlos und gesellschaftspolitisch problematisch ist? "Das kann man weder umsetzen noch kontrollieren", meinte ein Lehrervertreter, "es ist Populismus pur."