Kulturelles Gut wird seit jeher als immer wieder neu interpretiertes Thema in der Designschmiede gehandelt. Leder- und Textilfransen an groben Strick-Sweatern und Over-knee-Keilabsatz-Stiefeln haben es der französischen Designerin Isabel Marant beim Kreationsprozess der Herbst-Winter-Kollektion sichtlich angetan. Beim Designer-Duo Proenza Schouler aus New York sind es die Navajo-Prints der Ureinwohner Amerikas, die von Bleistiftrock über High-Heels auch die legendäre It-Bag des Hauses, die PS1, zieren. Als Newcomerin hat sich ähnlich dem Vorbild Alexander Wangs die Schmuckdesignerin Pamela Love direkt in die Herzen der Fashionistas katapultiert. Ihre limitierten Editionen von übergroßen Ketten, an Traumfänger angelehnten Ohrringkreationen und mit Varianten von Dreiecken und Sternen ethnisch inspirierten Armreifen und Ringe vereinen gleichermaßen mystische mit extravaganten und klassischen Schmuckelementen. Dazu passen perfekt kosmetische Wunderelixire: Flüssiges Gold wie Rodin Olio Lusso Face Oil, Kahina’s Argan-Öl-Pflegeserie aus Marokko sowie das von Stars wie Michelle Williams und Liv Tyler bevorzugte Hairtreatment von Morrocanoil definieren auch in der Beauty-Routine diese kulturellen Einflüsse.

Ihrer Zeit voraus hat sich hierzulande die Wienerin Silvia Gattin auf Reisen begeben, um nun seit etwas mehr als einem Jahr ethnisch inspirierte Kult(ur)güter, die nach ihren Vorstellungen in den Herkunftsländern produziert werden, im gleichnamigen Online-Shop (www.silviagattin.com) ab Wien in die ganze Welt zu schicken. An einem spätherbstlichen Nachmittag kam in einer gemütlichen Ledercouch im Dachboden des 25hours Hotels gelehnt folgendes Gespräch zustande...

"Wiener Journal": Schön, dass Sie Zeit gefunden haben, sich heute ausführlich über modisches Zeitgeschehen auszutauschen. Silvia Gattin ist ja auch Ihr Name, warum das Label unter eigenem Namen?

Silvia Gattins "Happy Holy Hippie Bag" ist ein echter Hingucker! - © Szymon Olszowski, mytheresa.com
Silvia Gattins "Happy Holy Hippie Bag" ist ein echter Hingucker! - © Szymon Olszowski, mytheresa.com

Silvia Gattin: Gute Frage. Zum einen - meine Familie kommt aus Kroatien, daher auch mein Nachname, wobei dieser ja eigentlich aus Norditalien stammt und in unserem deutschsprachigen Raum ja auch anderweitig verwendet wird und ich mir auch oft deswegen irgendwelche Witze anhören muss, und gerade aus diesem Grund dachte ich mir, dass "Gattin" sicherlich länger in Erinnerung bleibt.

Ihr bisheriger Karriereweg ging ja von Ihrem klassisch wirtschaftlichen Background aus. Wie kam es zu dieser Wendung, ein Label unter eigenem Namen zu gründen?

Während meines Studiums der Internationalen Betriebswirtschaft habe ich schon trockene Theorie mit kreativer Praxis verbunden und alle meine Praktika in der Modebranche absolviert. Nach einem mehrjährigen Ausflug in die Schweizer Finanzwelt kam es nach einem "Burn Out" zur Wendung. Wobei man vorsichtig mit diesem Begriff umgehen muss. Ich war einfach überlastet, hatte eine 60-Stunden-Woche, arbeitete nur noch unter hohem Druck, die Arbeitsmoral im Unternehmen hat sich durch die damalige Krise auch verschlechtert und im Endeffekt zog ich dann den Schlussstrich und beschloss - nach meiner ersten Reise nach Indien - im Leben das zu machen und zu arbeiten, was mir von Herzen Spaß macht. Sobald man sich einer Sache sicher ist und beschließt, seinem Herzen zu folgen, ergeben sich von selber Fügungen, die einem helfen, diesen Weg zu gehen, und so war das auch bei mir. Eben in Indien kam die Idee mit dem Entschluss, mein Label mit Online-Shop für Mode und Accessoires ethnischen Ursprungs aufzubauen.

Welche Inspiration liegt Ihrer Kollektion zugrunde?

Grundsätzlich interessiert mich Ethnologie und die Bedeutung und Geschichte hinter verschiedenen Textilien und Mustern und Farben sehr, wobei 1001-Nacht-Länder bzw. alte Kulturen den Schwerpunkt bilden. Weiters reise ich für mein Leben gerne, was für mich eigentlich die größte Inspirationquelle ist. Einmal unterwegs, sprudelt es nur so aus meinem Kopf. Daraus ergeben sich meine sich immer ändernden Kollektionen, die auch wachsen können.

Ergibt sich die Auswahl an Kooperationsländern denn spontan oder liegt dieser ein Plan zugrunde?

Ich muss zugeben, die ergibt sich eher spontan. Nach Indien wollte ich schon immer und wusste irgendwie, dass mein Herz dort hängenbleiben wird. Marokko stand ebenfalls ganz oben auf der Liste, die ich eigentlich wirklich komplett nach meinem Bauchgefühl abklappere.

Wie kommt es, dass Sie sich von eben diesen ganz bestimmten Kulturkreisen angezogen fühlen?

Ich sage immer, dass ich in meinem vorherigen Leben ein Hippie gewesen sein muss. Die Lebensweise, das Herumzigeunern - wenn es nach mir ginge, würde ich am liebsten nur mit Rucksack unterwegs sein und für einige Zeit da bleiben, wo es mir am meisten gefällt. Die Hippiekultur, inklusive Yoga und Buddhismus hat ja ihre Ursprünge in Indien, dann Marokko mit den rockigen 70er Jahren und Yves Saint Laurent und seine ganze Clique dort... Ibiza, das ultimative Hippie-Hideaway, ist auch nicht weit weg!

Man sieht derzeit ja auch auf den Laufstegen viele Interpretationen mit ethnischem Ursprung.