Wild gestaltet: ein historisches Jagdzimmer im Hofmobiliendepot. - © Bundesmobilienverwaltung
Wild gestaltet: ein historisches Jagdzimmer im Hofmobiliendepot. - © Bundesmobilienverwaltung

Manchmal muss man bis nach Berlin fahren um auf eine Ausstellung in Wien aufmerksam zu werden. Mitten in Kreuzberg nahe dem Kottbusser Tor geht es in einen Innenhof, von dort wenige Treppen in ein Zwischengeschoß, dann mit einem winzigen Aufzug weiter hinauf. Überall würde man ein Museum erwarten, nur nicht hier in diesem derart verlassenen Winkel. "Museum der Dinge" steht auf dem Schild der Eingangstüre in den Vorraum. Würde man das Museum schnellen Schrittes abgehen, wäre man mit diesem 500 Quadratmeter großen Ausstellungsraum wohl in wenigen Minuten fertig. Vertieft man sich allerdings in die vielen "Dinge", die dichtgedrängt wie in einem Depot hinter Vitrinen lagern, kann man hier ohne Mühe einen ganzen Tag verbringen. Sich in Verzierungen und Bemalungen von Tellern und Tassen verlieren, Glasformen bewundern, über alte Mobiltelefone und Computer schmunzeln, Kindheitserinnerungen aufspüren, …

Das Museum der Dinge zeigt als Archiv des Deutschen Werkbundes die Produktkultur des 20. und 21. Jahrhunderts. Seit den 1970er Jahren wird hier alles gesammelt, was designhistorisch von Bedeutung ist und unseren von Waren geprägten Alltag dokumentiert. Man arbeitet in der Tradition des 1907 gegründeten Deutschen Werkbundes, der in einer Zeit, als durch die industrielle Revolution die Warenherstellung explodierte, Qualität propagierte. Man bemühte sich um modern-sachliche Gestaltung der industriell gefertigten Produkte und etablierte neue Werte wie Materialgerechtigkeit, Funktionalität oder Nachhaltigkeit. Im "offenen Depot", als das das Museum der Dinge gestaltet ist, ahnt man ein wenig von den strengen Maßstäben, die der Werkbund an die neue Produktkultur anlegte. Zwölf Künstler und zwölf Firmen vereinigten sich 1907 in München zum Deutschen Werkbund mit dem Ziel der "Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken mit Kunst, Industrie und Handwerk, durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme". Bei diesem Gründungsaufruf waren etwa Peter Behrens, Joseph Maria Olbrich, Bruno Paul und Josef Hoffmann auf der Seite der Künstler dabei, auf Seiten der Unternehmen war auch die Wiener Werkstätte vertreten. Später gehörten auch AEG, Bahlsen, Kaffee HAG oder Pelikan zu den Werkbund-Firmen, die für die Gestaltung ihrer Produkte und Verpackungen oft auch mit Künstlern oder Architekten zusammenarbeiteten.

In der NS-Zeit wurde der Werkbund vom nationalsozialistischen Regime aufgelöst und nach dem Krieg wieder neugründet, er existiert bis heute. Der Österreichische Werkbund hingegen, der in der Tradition des deutschen 1912 gegründet wurde, verlor mit der Zäsur des Zweiten Weltkrieges seine Bedeutung. In seiner Blütezeit waren die Vertreter der Wiener Moderne wie Gustav Klimt, Otto Wagner oder Josef Hoffmann Mitglieder, ebenso die Wiener Werkstätte und Architekten wie Josef Frank. Frank war es auch, der bei der internationalen Werkbundsiedlung 1927 in Stuttgart ein Doppelhaus gestaltete und 1932 selbst eine Werkbundsiedlung in Hietzing errichten ließ, für die die wesentlichen österreichischen Werkbundmitglieder Musterhäuser planten.