Generäle, so heißt es, kämpfen gerne immer den vergangenen Krieg. Nach den militärischen Abenteuern des Westens im Irak warnte der ehemalige US-Verteidigungsminister Robert Gates vor einem Eingreifen im Syrien-Konflikt. Das sei so, als würde man Öl ins Feuer gießen. Gates Rat: Finger weg. Wolfgang Ischinger, einer der führenden Geopolitiker Deutschlands, kritisiert diese Haltung und meint, die besseren Lehren ließen sich nicht aus dem Irak-Desaster, sondern aus dem Bosnien-Krieg ziehen. Dort habe ein militärisches Eingreifen 1995 die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch in Dayton, Ohio gezwungen.

Nun beginnen am Mittwoch Syrien-Gespräche in Montreux, die am Freitag in Genf fortgeführt werden sollen. Die Voraussetzungen für einen Erfolg sind nicht besonders günstig: Die gegen den syrischen Machthaber Bashar al-Assad kämpfende Opposition ist zersplittert, Assad sieht sich im Vormarsch und Syrien ist längst zum Schlachtfeld eines blutigen Stellvertreterkriegs zwischen dem Iran und den golfarabischen Ländern verkommen. Und wenn man schon nach historischen Parallelen sucht, dann sollte auch Tschetschenien Erwähnung finden, wo eine anfangs nationalistische tschetschenische Unabhängigkeitsbewegung zum Heiligen Krieg für die Errichtung eines Kalifats im Nordkaukasus mutiert ist. Doch die rücksichtslosen Jihadis verloren die Unterstützung in der Bevölkerung, der Nordkaukasus ist heute wie gestern eine volatile Region und in Grosny sitzt der von Moskau unterstützte Präsident Ramsan Kadyrow fest im Sattel.

Eine Frage drängt sich auf: Was war denn das Ergebnis von Dayton? Slobodan Milosevic und Franjo Tudjman haben in einer Verhandlungspause in Dayton die Grenzen innerhalb Ex-Jugoslawiens auf einer Serviette neu gezeichnet – mit dem großen Verlierer Bosnien-Herzegowina, das geteilt in Bosnien und die Republika Srpska auf der Karte seither einem Leopardenfell gleicht. Auf Syrien umgelegt hieße Dayton: Bashar al-Assad bleibt an der Macht und übt die Kontrolle über die Küstenregion und Damaskus aus, im Land verlaufen danach Grenzen zwischen den Alawiten-Gebieten und den Siedlungsräumen der Drusen, Ismalilis, Kurden und den sunnitischen Stammesgebieten. Die neue Karte Syriens würde einem Schnittmuster aus einer Näh-Zeitschrift gleichen. Doch wer sagt, dass es in so einem Szenario nicht zu einer Neuordnung der gesamten Region kommt? Davon währen wohl der Irak, die kurdisch besiedelten Gebiete der Südost-Türkei, der Libanon und Jordanien betroffen.

Nun sitzt der Iran vorerst in Genf nicht mit am Tisch, einer der Kontrahenten des Stellvertreterkriegs fehlt somit und es ist zumindest vorerst die Chance vertan, die Tür zu einem Grand Bargain mit Teheran aufzustoßen. Doch nur wenn ein modus vivendi zwischen Sunniten und Schiiten gefunden werden kann, kann es Frieden in einem Post-Pax-Americana-Orient geben.