Es gibt bereits andere Preise in Österreich, die Personen oder Initiativen auszeichnen, die sich um den Abbau von Antisemitismus, um Dialog, um den Abbau von Vorurteilen bemühen: den Leon Zelman-Preis etwa, der jedes Jahr im Wiener Rathaus verliehen wird, die Torberg-Medaille der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, den Alexander Friedmann-Preis des psychosozialen Zentrums ESRA, aber auch den von SOS Mitmensch vergebenen Ute Bock-Preis für Zivilcourage. Nun wird der beim Parlament eingerichtete Nationalfonds jedes Jahr den "Simon-Wiesenthal-Preis" vergeben.

Die Entscheidung dazu fiel mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos. Die FPÖ stieß sich am Namen der Auszeichnung und hätte einen "Bruno-Kreisky-Preis" bevorzugt. Vordergründig wurde dies damit argumentiert, dass man hier eine Person heranziehen sollte, die einen Bezug zum Parlament hat. Abseits der Tatsache, dass sich die FPÖ hier einmal mehr in jenes Eck stellte, in dem sie ganz offenbar steht, zeigt der neue Preis vor allem eines: hier wird seitens des Hohen Hauses das klare Signal ausgesendet, wir wollen Antisemitismus bekämpfen und wir wollen nicht nur in Sonntagsreden darüber sprechen, sondern das Anliegen mit Taten untermauern.
Hoch dotiert
Initiiert wurde der Preis von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, er ist mit 30.000 Euro dotiert, wobei 15.000 Euro davon an den Jahrespreisträger gehen und zwei weitere Preisträger jeweils 7.500 Euro erhalten sollen. Ausgezeichnet werden soll zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus sowie für Aufklärung über den Holocaust.
Aus dem Bauch heraus denke ich mir dazu: fein, so ein hoch dotierter Preis. Das zeigt Anerkennung, das unterstreicht die Wichtigkeit des Anliegens. Aber: Wenn ich an die Verleihungen der bereits bestehenden oben angeführten Preisen, die allesamt wichtig sind, denke, dann trifft man dort den immer ähnlichen Kreis an Menschen, denen das Thema eben ein Anliegen ist. Es ist ein bisschen so wie mit all den tollen Vorträgen, Konferenzen, den Ausstellungen, den Erinnerungsprojekten: sie sprechen allesamt ein Publikum an, das ohnehin schon interessiert und sensibilisiert ist.
Und so stellt sich die ewige Frage: wie kommt man gegen Antisemitismus an? Welche Strategie ist nachhaltig? Gerade die aktuelle Coronakrise hat gezeigt, dass hier vieles in den Köpfen vieler nur knapp unter der Oberfläche liegt. Der sachte darüber ausgebreitete Mantel aus Political Correctness und historischer Aufklärung wird nur allzu rasch zur Seite geschoben und Verschwörungstheorien, die auch antisemitische Züge aufweisen, zeigen sich unverblümt. Und dann sind sie schon da, die Namen Rothschild oder Soros oder schlicht "die Juden", die, analog der alten Brunnenvergifter-Geschichten auch hinter anderen Plagen stünden. Warum also nicht auch hinter Covid-19?
Der "Simon-Wiesenthal-Preis" kann explizit auch an institutionelle Einrichtungen und Schulprojekte vergeben werden (das ist aber auch bei anderen Preisen so). Dennoch: wenn es um Schulen geht, ist ein breiter Personenkreis einbezogen, die Schüler und Schülerinnen, die hier mit einem Projekt befasst sind, können in ihren Familien, in ihrem Freundeskreis (theoretisch zumindest) als Multiplikatoren fungieren. So kann man Haltungen und Wissen in die Breite bringen – etwas, was zum Beispiel vom Bildungsministerium seit vielen Jahren auch mit der Erinnerungsplattform erinnern.at erfolgreich gemacht wird.
Antisemitismus steigt
Und dennoch: der Antisemitismus wird trotz aller Gedenk- und aller Bildungsinitiativen nicht weniger. Er steigt. Er steigt in Europa, er steigt in Österreich. Er wird wie in Frankreich oder Deutschland teils gewalttätig. Er durchdringt das Internet und ist auf Social Media omnipräsent. Er tut dies trotz aller Bildungsoffensiven und Awareness Kampagnen.
Was kann also ein neuer Preis ausrichten? Er kann, da über ihn medial berichtet wird, das Thema einmal im Jahr eben breiter zum Thema machen. Das ist gut. Kann ein solcher Preis Antisemitismus tatkräftig bekämpfen? Wahrscheinlich nicht. Aber es ist ein weiterer Mosaikstein im Bemühen, Antisemitismus nicht noch größer werden zu lassen, diesem Hass Einhalt zu gebieten. Jeder kleine Mosaikstein hilft. Und nicht zuletzt stimmt es froh, dass sich hier vier Parlamentsparteien ganz klar und ohne Wenn und Aber dazu bekennen, sich hier aktiv einzusetzen. Diese Klarheit gab es über Jahrzehnte nicht.
Und so ist eine solche Initiative dann doch wieder ein Schritt nach vorne, ein Schritt, der zeigt: man lässt Juden und Jüdinnen nicht nur existieren, sondern man setzt sich auch für sie ein und dafür, dass ihnen kein Hass mehr entgegenschlägt, dafür, dass sie sich nicht bedroht fühlen oder tatsächlich attackiert werden. Was eine solche Initiative in der Umkehr aber auch zeigt: Normalität ist in Österreich im Zusammenleben von Juden und Nichtjuden immer noch nicht erreicht. Umso wichtiger ist es, dass der Kampf gegen Antisemitismus nicht mehr alleine von Juden und Jüdinnen geführt werden muss, sondern sich große Teile der Gesellschaft hier an ihre Seite stellen. Das nämlich ist für mich die Hauptbotschaft des "Simon- Wiesenthal-Preises": hier sagen die Parlamentarier, wir stehen euch bei, wir lassen euch nicht alleine.