Die sommerlichen Urlaubswochen sind oft von Hektik geprägt: vor allem kurz vor Reisebeginn kämpfen die abzuschließenden Arbeitsaufträge und die Reisevorbereitungen um ihre jeweilige Aufmerksamkeit. Am Ende ist die Arbeit erledigt und die Koffer sind gepackt und recht erschöpft sitze ich dann meist in Auto/Zug/Flugzeug. Die ersten Tage dienen dem Auftanken von Schlaf, bevor es daran geht, Ausflüge zu machen (Österreich-Aufenthalt) oder sich ins Sightseeing zu stürzen (Städtereise). Aber dann beginnt die wunderbare Zeit des Loslassens und Kopffreikriegens und Abstand vom Alltag Gewinnens. Urlaub eben! Bis bei der Rückkehr wieder alles auf einmal über einen hereinstürzt: Mails abarbeiten, Wäsche waschen, Telefonate, neue Arbeitsaufträge.

Es gibt Optimisten und Pessimisten. Und Menschen wie diesen Rabbiner, die auf ein beschwingtes Leben setzen. Mehr "Jewy Louis"-Episoden gibt es derzeit in einer Online-Ausstellung zu sehen und in dem im Ariella Verlag erschienenen Comicband "Schalömchen!" zu lesen. - © Ben Gershon/Ariella Verlag
Es gibt Optimisten und Pessimisten. Und Menschen wie diesen Rabbiner, die auf ein beschwingtes Leben setzen. Mehr "Jewy Louis"-Episoden gibt es derzeit in einer Online-Ausstellung zu sehen und in dem im Ariella Verlag erschienenen Comicband "Schalömchen!" zu lesen. - © Ben Gershon/Ariella Verlag

Heuer war alles anders. Die Auslandsreise haben wir storniert und ich habe beschlossen, den Urlaub einmal ganz anders zu nutzen: mit Innehalten und das tägliche Chaos in den Griff bekommen. Es war Räumen und Ausmisten angesagt. Und Ablegen. Papierberge, zurückgehend bis 2015 wollten durchgearbeitet und eingeordnet und entsorgt werden. Fünf Jahre habe ich es nun nicht geschafft, abseits der täglichen To-do-Liste all das zu machen (und das hat im Rückblick wahrscheinlich auch mit der Flüchtlingskrise und meinem diesbezüglichen Bemühen, ein bisschen zu helfen, zu tun), aber jetzt ist es vollbracht. Wozu doch eine andere Krise – dieses Mal eine Pandemie - auch gut ist.

Wenn man da sitzt und Blatt um Blatt betrachtet, entweder in einen Ordner einheftet oder in den Altpapierbehälter gleiten lässt, wenn man Magazin um Magazin durchblättert, Artikel heraustrennt, ablegt und den Rest der Zeitschriften entsorgt, hat das fast meditativen Charakter. Die Produktivität lässt sich zudem am Ende des Tages mit der Anzahl und Höhe der Papierstapel auch noch wunderbar messen. Das schafft ein feines Zufriedenheitsgefühl. Aber auch das Aussortieren von Kleidung, von abgelaufenen Medikamenten und Lebensmitteln, von Gläsern, von denen die Farbe abspringt und Schuhen, die wohl nie mehr getragen werden werden, schafft Platz, schafft das Gefühl, wieder besser atmen zu können.

Nun ist die Urlaubszeit vorbei, das Schuljahr beginnt kommende Woche, back to normal also. So weit man derzeit von Normalität sprechen kann. Denn gerade, was die Schule betrifft, wird weiter wenig normal sein. Die Liste der Hygienevorschriften am Schulstandort des Kindes ist lang – und das ist gut so, aber eben auch: das ist nicht die Normalität, die wir bis zu Beginn dieses Jahres kannten.

Jewy Louis-Ausstellung

Zur Coronazeit gehört auch, dass vieles an Kultur derzeit online stattfindet. Diese Woche eröffnete beispielsweise die Jüdische Gemeinde Wiesbaden eine Online-Ausstellung (https://www.jg-wi.de/blog/jewy-louis-koschere-comics/). Gezeigt werden Cartoons von Ben Gershon, die jede Woche in der deutschen Wochenzeitung Jüdische Allgemeine für Heiterkeit sorgen und die der Ariella Verlag auch in dem "Jewy Louis"-Comicband "Schalömchen!" herausgebracht hat.

Wenn man den Comicband in Papierform durchblättert, schmunzelt man über den Spagat des Jewy Louis, der versucht, sein Leben zwischen Religion, Tradition und modernem Leben zu gestalten. Und nein, andere Juden und Jüdinnen kommen dabei nicht immer nur gut weg. Aber genau das ist eben jüdischer Humor: die eigene Lebensrealität kennen und auch über sich lachen können.

Die Onlineversion (zu sehen bis 22. September) ergänzt die Comic-Strips um Informationen für all jene, denen der jüdische Alltag nicht so geläufig ist: da werden die jüdischen Feiertage und Feste erläutert, aber etwa auch der Schabbes. Hier bin ich bei einer ganz entzückenden Episode hängen geblieben (siehe auch Bild): "Rabbi, was denken Sie: Sind diese Gläser halb voll oder halb leer?" fragt Jewy Louis den Rabbiner. Und dieser antwortet: "Ich denke einfach, sie sollten gefüllt werden!"

"L’chaim" lautet der jüdische Toast und bedeutet: "Auf das Leben!" Auf das Leben stoßen die beiden also dann gut gelaunt mit Rotwein an. Was für ein passendes Motto auch angesichts der momentanen Situation. Ja, wir erleben eine Pandemie. Ja, wir müssen vorsichtig sein – das zeigen nicht zuletzt die aktuell rasant in die Höhe steigenden Covid-Infektionszahlen in Israel. Dort infizieren sich aktuell laut Auswertung der John Hopkins Universität täglich 199,3 Personen pro eine Million Einwohner mit dem Virus – in Österreich liegt dieser Wert derzeit bei 30,7, in Deutschland bei 14,4. Vorsicht ist vor allem angebracht, um Leben zu schützen. Dabei sollte man aber auch nicht in Schockstarre verfallen.

Masken schützen

Inzwischen weiß man, wie Infektionen gut vermieden werden können: Abstand zu halten und vor allem Mund-Nasen-Schutz in Innenräumen zu tragen, sind dabei Schlüsselelemente. Wie gut diese Maßnahmen schützen, zeigt auch eine diese Woche von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien veröffentlichte Animation (https://www.ikg-wien.at/synagogen_animation_deutsch/): Demnach waren im August in sechs Wiener Synagogen mit dem Coronavirus infizierte Personen beten (jeweils eine Person pro Gebetshaus). Da von jeder Synagoge dokumentiert wird, wer zum Gebet kommt, wurden alle anderen Mitbetenden informiert und gingen entweder in Quarantäne oder ließen sich auch testen. Es hatte sich aber keiner von ihnen mit dem Coronavirus angesteckt. Die IKG Wien führt das auf das Tragen von Masken, das Einhalten von Abstand und regelmäßige Handdesinfektion in den Synagogen zurück.

Also: tragen wir in Innenräumen beim Zusammentreffen mit Personen, mit denen wir nicht zusammenleben, lieber einmal mehr als einmal weniger die Maske und sehen es nicht als Lebensqualität-mindernd, sondern Lebensqualität-schützend. Ich versuche das jedenfalls so zu sehen. Das Tragen der Maske ermöglicht mir soziales Leben, denn auf die Dauer vorrangig zu Hause zu bleiben, ist vielleicht eine Lösung für ein paar Wochen, aber nicht für Monate oder gar Jahre. Auf das Leben also!