Da werden Erinnerungen an die Studienzeit wach: im Rahmen des Germanistikstudiums gab es in den 1990er Jahren auch die Möglichkeit, Jiddisch zu erlernen. Es unterrichtete der legendäre Jacob Allerhand und die Reihen waren zu Semesterbeginn gut gefüllt. Sie lichteten sich allerdings rasch: den wenigsten war bewusst, dass das Jiddische zwar Ähnlichkeiten mit dem Deutschen aufweist, aber in hebräischer Schrift notiert wird. Es galt also, zunächst das Alef-Bet zu erlernen.

Roman Grinberg, Musiker und Komponist, bemüht sich seit vielen Jahren um den Erhalt des Jiddischen. Bisher nutzte er dafür vor allem die Musik. Während des ersten Lockdown veröffentlichte er im Rahmen des Kulturprogramms der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien "Jiddisch für Anfänger"-Videos (auf Youtube abrufbar). Sie erfreuten sich - wie auch in Vor-Coronazeiten seine Bühnenauftritt mit jiddischen Liedern und Klezmer-Musik - großer Beliebtheit.

 Nun legte Grinberg für alle, die ein bisschen ins Jiddische eintauchen wollen, einen Sprachkurs in Buchform vor (bestellbar unter office@klezmer.at). Der Zugang ist dabei ein sehr niederschwelliger: er verzichtet nämlich auf die hebräische Schrift und arbeitet mit der weltweit anerkannten YIFO-Transkription. Dabei wird zum Beispiel der deutsche Laut sch mit sh notiert, das ch mit kh, ein w mit v und ein z mit ts.

 Und dann geht es schon los mit den ersten Schritten in der Jahrhunderte alten Sprache aschkenasischer Juden. Dabei schaut Grinberg zunächst zurück in die Geschichte. Das älteste schriftliche Zeugnis stammt aus dem Jahr 1272 und fand sich in einem Gebetbuch. Das Jiddische ging aus dem Mittelhochdeutschen hervor - etwa 70 Prozent der Worte sind deutschen Ursprungs. Die Sprache enthält aber auch Begriffe aus dem Hebräischen, dem Aramäischen, aus slawischen und romanischen Sprachen. Und sie ist nicht statisch: zuletzt integrierten sich vor allem Ausdrücke aus dem amerikanischen Englisch ins Jiddische.

 

Kurs orientiert sich am Standard-Jiddischen

Unterschieden wird zwischen dem Klal-Yidish, einem Standard-Jiddisch, und Dialekten. Die drei Hauptdialekte sind laut Grinberg Livisch Yidish (Nordostjiddisch, beheimatet in Litauen, Lettland, Estland, Weißrussland und Russland), Poylish Yidish (Zentraljiddisch, zu Hause in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ost-Ungarn) und Ukrainish Yidish (Südostjiddisch, gesprochen in der Ukraine, Moldawien und Rumänien). Das neue Sprachbuch orientiert sich am Klal-Yidishen und arbeitet mit Dialogen.

 Und dann heißt es früh aufstehen! Es iz fraytik, zeks azeyger in der fri. Wenn man sich den Satz selbst laut vorliest, kann man schon einiges erraten. Es ist Freitag, so der erste Teil des Satzes, und in der fri hat man rasch als in der Früh identifiziert. Aber was könnte azeyger bedeuten? Es ist die Uhrzeit! Uhr heißt im Jiddischen übrigens a zeyger und da ja Uhren - jedenfalls jene der Vor-Digital-Zeit - Zeiger haben, ist das, wenn man es weiß, auch zuordenbar. Wenn man es weiß ist das Stichwort: und damit man es weiß, hat Grinberg solche Begriffe jeweils im Vokabelteil jeder Lektion angeführt.

 Und weiter geht es: Mayn veker klingt. Der Klang iz mir ayngenem. Ich habe das Läuten meines weckers zwar noch nie als angenehm empfunden, nicht jenen schrillen in meiner Schulzeit, nicht die diversen Handywecktöne der vergangenen Jahre. Aber: Menschen sind verscheiden! Und auch dann geht es anders weiter als in meinem Alltag: Mayn man shloft fest. Haben Sie es sich laut vorgelesen? Na, dann haben Sie es ja sicher verstanden. Bei mir ist es ja meist umgekehrt: mein Mann werkt schon in der Küche herum, während ich langsam aufwache. "Gut morgn, Itsik, tsayt tsum oyfsteyn!", sagte Hanna dann zu ihrem Mann. Und schon hat man das nächste Erfolgserlebnis: alles verstanden.

 Mit dieser Methode werden die Jiddisch-Interessierten wohl eine Weile länger durchhalten als viele der Studierenden damals an der Uni. Jeder Satz, den man mühelos versteht, ist Motivation, dazwischen baut Grinberg immer wieder das eine oder andere Wort ein, das man kennen muss, um es zu verstehen. Kihk bedeutet beispielsweise Küche, prezhenitse ist eine Eierspeise und sof ist das Ende. Das Wochenende heißt folgerichtig: sof-vokh.

 Zu Ende geht die erste Lektion mit Grußformeln. A gutn tog! A gutn ovnt! A gute vokh! Darauf antwortet der andere entweder mit derselben Formulierung oder mit A gut jor (wörtlich: ein gutes Jahr)! Heute aber ist Freitag und da beginn mit Sonnenuntergang Schabbat. Daher verabschiede ich mich heute mit: Gut Shabes!