Ja, ich gebe es zu: es ist schon ein ziemlich befreiendes Gefühl, die erste Impfung gegen Covid-19 erhalten zu haben. Kein Freibrief, unvernünftig zu werden, natürlich, denn die Immunisierung ist erst nach dem zweiten Shot und dann auch noch nicht sofort gegeben, aber dennoch: es ist so das Gefühl, es tut sich etwas, es geht in die richtige Richtung. Wann werden wir wieder guten Gewissens ins Kino gehen können? Wann im Restaurant Freunde und Freundinnen treffen?

Auch in Österreich bekommen nun immer mehr Menschen einen Impftermin - hier der Weg zur Impfstraße im Austria Center in Wien. - © Alexia Weiss
Auch in Österreich bekommen nun immer mehr Menschen einen Impftermin - hier der Weg zur Impfstraße im Austria Center in Wien. - © Alexia Weiss

All das ist in Israel bereits möglich. Die Fotos, die ich da nun jeden Tag in meiner Facebook-Timeline sehe, stimmen froh. Ja, auch dort muss man noch Maske tragen, wenn man sich einen Film ansieht und Abstand halten ist weiter ein Gebot. Aber dennoch: ich war zuletzt kurz vor dem ersten Lockdown im März vor einem Jahr im Kino, um mir die Dokumentation über die frühere Frauenministerin Johanna Dohnal anzusehen. Ich freue mich schon darauf, wieder ins Kino zu gehen.

Und ja, das ist natürlich eine sehr oberflächliche Betrachtung, denn es gibt Wichtigeres: dass viel mehr Menschen wieder Arbeit haben, dass Kinder wieder jeden Tag zur Schule gehen können. Dazu bräuchte es aber auch rasch für Kinder und Jugendliche zugelassene Impfstoffe.

Konsum sichert Arbeitsplätze

Doch einerseits drückt die Pandemie auch auf die psychische Befindlichkeit. Wenn also Kinos, Theater, Konzerthallen wieder öffnen, wird das für viele wieder ein bisschen Leichtigkeit ins Leben bringen, die es auch braucht. Aber bei der Kulturszene, der Gastronomie, der Hotellerie, dem Handel: da geht es andererseits um Konsum und um viele, viele Arbeitsplätze. Wenn ich mir also einen Film ansehe, sorge ich dafür, dass andere nicht arbeitslos sind. So funktioniert unsere arbeitsteilige Gesellschaft.

Andere Bilder aus Israel gab es vor einigen Wochen. Es hatte den Anschein, als ob sich so ziemlich jeder, der gegen das Coronavirus geimpft wurde, dabei fotografieren ließ. Für mich waren das Fotos des Triumphs: wir lassen uns nicht kleinkriegen!

Inzwischen ist auch in Österreich die Impfkampagne breiter angelaufen. Immer mehr Menschen aus meinem Umfeld haben die erste oder sogar schon beide Teilimpfungen erhalten. Ich war vergangene Woche an der Reihe, heute Früh wurde mein Mann geimpft. Die Impfstraße, die die Stadt Wien hier im Austria Center aufgezogen hat, ist beeindruckend. Alles funktioniert wie am Schnürchen, tausende Menschen werden da täglich durchgelotst, ohne lange warten zu müssen.

Schade ist nur, dass hier keine Impffotos entstehen. Das Filmen und Fotografieren ist am gesamten Areal untersagt. Als ich versuchte, eine Tafel im Eingangsbereich zu fotografieren, wurde ich bereits – sehr freundlich – auf dieses Verbot hingewiesen. Dabei könnten doch Fotos von Freunden und Familienmitgliedern, die sich über ihren Shot freuen, animierend wirken. (Andere meinen, sie nerven oder schüren Impfneid – ich sehe das anders.)

"Wir lassen uns impfen!

A propos animieren: wie bringt man möglichst viele Menschen dazu, sich impfen zu lassen? Da gibt es einerseits die Kampagnen der öffentlichen Hand. Überzeugend kann aber auch das eigene Umfeld wirken. In diesem Sinn formulierte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, kürzlich einen eindringlichen Appell an die Mitglieder der jüdischen Gemeinde.

"Die Rettung des Lebens ist im Judentum eines der wichtigsten Gebote", schrieb der IKG-Präsident. Und: "In der Praxis heißt das jetzt: Wir lassen uns impfen! Jeder, der die Möglichkeit hat, sich impfen zu lassen, sollte mit gutem Beispiel vorangehen! Mit der Impfung schützen wir uns selbst und unsere Umgebung. Wenn viele Menschen geimpft sind, können wir Schritt für Schritt zu unserem gewohnten Alltag zurückkehren. Ein Blick nach Israel genügt derzeit, um zu sehen, wie das Leben nach dem Impfen wieder aufblüht."

Tatsächlich wird dieser Tage nicht nur von jüdischen Gemeinden, sondern von Menschen weltweit nach Israel geblickt. Denn nicht nur die vorsichtige Rückkehr zu einem Leben, das sich nicht nur in den eigenen vier Wänden abspielt, erfreut. Auch die Daten der dort zügig durchgeführten Impfkampagne geben Grund zu Hoffnung. Ein Forscherteam der Universität Tel Aviv zeigte hier nun auf, wann der Wendepunkt bei den Ansteckungsraten in der Altersgruppe 60+ erreicht war: zwei Wochen, nachdem die Hälfte dieser Bevölkerungsgruppe die erste Impfung erhalten hatte.

Da nun auch in Österreich nach und nach immer mehr Impfstoffdosen eintreffen, könnte es in wenigen Monaten tatsächlich so weit sein, dass auch hier zu Lande Lockdowns nicht mehr notwendig sein werden. Was nicht heißt, dass es wieder Normalität wie bis 2019 gibt. Mit Vorsichtsmaßnahmen werden wir alle wohl noch länger leben müssen.

Das zeigen auch die Vorbereitungen Israels, um den Tourismus wieder langsam hochzufahren. Ab dem 23. Mai soll es Reisegruppen wieder erlaubt werden, einzureisen. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Touristen geimpft sind. Wobei sich Israel hier noch nicht auf nationale Impfpässe verlässt. Das Land fordert einen negativen PCR-Test vor dem Abflug und einen serologischen Test als Impfnachweis bei der Ankunft in Israel. Nach und nach soll es dann auch Individualreisenden ermöglich werden, wieder nach Israel zu fliegen. Parallel dazu möchte Israel mit einzelnen Ländern Abkommen zur Anerkennung von Impfbestätigungen schließen.

Und das wird dann wohl – zumindest für einige Jahre – die neue Normalität sein: dass man sich nicht nur als Person ausweisen, seine Staatsbürgerschaft oder seinen Aufenthaltsstatus belegen kann, sondern auch seinen Impfstatus. Jedenfalls beim Reisen. In Österreich soll der Grüne Pass ja auch Antikörper nach einer durchgemachten Covid-19-Infektion dokumentieren beziehungsweise eine aktuell erfolgte negative Testung bestätigen. Noch gibt es diesen Pass nicht. Er wird aber wohl ein weiterer Puzzlestein auf dem Weg in ein Leben, in dem nach und nach wieder mehr möglich wird. Fein wird das.

Und ja, da schwingt durchaus ein Stück Euphorie mit. Denn ich habe den Eindruck: die erste Impfung bringt nicht nur ein Gefühl der Erleichterung mit sich. Bei mir zeigte sie auch ein Stück, wie sehr wir alle eigentlich nun schon so lange unter Druck standen und stehen. Es tut gut, wenn dieser Druck ein wenig nachlässt.