Covid-bedingt ist die Kultur nun über eine lange Zeit verstummt – jedenfalls, wenn es um Live-Konzerte oder Vorstellungen mit Publikum ging. Das Yiddish Culture Festival Vienna, das normalerweise im November/Dezember stattfindet, ist daher nun ins Frühjahr übersiedelt: im dritten Anlauf nach Absagen 2020 und 2021 soll es heuer von 17. März bis 14. April über die Bühne gehen.
Schon steht mit dem Krieg in der Ukraine allerdings stimmungsbedingt neues Ungemach im Raum. Roman Grinberg, Musiker, Dirigent, Komponist und künstlerischer Leiter des Festivals, kann davon leider ein Lied singen. Selbst 1962 in der ehemaligen Sowjetunion, auf dem Gebiet des heutigen Moldawien, geboren, kam er mit seiner Familie 1975 nach Österreich. Von vielen Menschen werde er jedoch als Russe wahrgenommen, das sei schwierig in Zeiten wie diesen, wie er mir kürzlich erzählte. Ständig müsse man sich rechtfertigen.
Dabei ist es ihm ohnehin selbst Anliegen, für Frieden und gegen diesen von Russland angezettelten Krieg in der Ukraine einzutreten. Grundsätzlich meint er dazu: "Ich werde auf der Bühne sicher zu diesem Krieg Bezug nehmen. Man kann nicht als Künstler vor dem Publikum stehen und so tun, als würde in der Welt nichts passieren. Man muss Stellung beziehen. Und wenn meine Äußerungen dazu führen, dass ich nie wieder nach Russland einreisen darf, dann sei es so."
Fast programmatisch liest sich da der Titel des Konzerts des Wiener jüdischen Chors am 27. März im MuTh, der ebenfalls von Grinberg geleitet wird: "Ale Schwester, Ale Brider". Mit dabei: der Schauspieler Erwin Steinhauer und die Künstlerin Dvori Barzilai, die den Abend visuell ergänzen wird. Die Botschaft, dass alle Menschen Schwestern und Brüder sind, kommt im Jiddischen nochmals emotionaler herüber als im Deutschen. Warum? "Die Sprache klingt für unser Ohr herzlich, lustig und schön", sagt der Festival-Leiter, der selbst seit klein auf Jiddisch spricht und mit eigenen Kompositionen jiddischer Lieder zum Fortbestand der Sprache beiträgt. Der Schlüssel sei die Sprachmelodie. "Das Deutsche ist relativ monoton, während das Jiddische mehr ein Sing-Sang ist – man spricht es über zwei Oktaven."
Wachsendes Interesse
Das Interesse an der jiddischen Sprache, aber auch der Musik steige in Wien jedenfalls spürbar von Jahr zu Jahr, erzählt Grinberg. Seine Jiddisch-Kurse am Jüdischen Institut für Erwachsenenbildung (JIFE) am Praterstern seien immer ausgebucht und würden übrigens zum überwiegenden Teil von Nichtjuden und -jüdinnen besucht. Aber es gebe auch die, die sagen, "meine Großmutter hat noch Jiddisch gesprochen, meine Eltern schon nicht mehr und ich möchte die Sprache nun erlernen".
Für all jene, die also das Jiddische gern hören, bietet das Festival nun ausreichend Möglichkeiten, in die Sprache einzutauchen. Katharina Straßer, Ethel Merhaut und Bela Koreny eröffnen am 17. März den Reigen mit dem Programm "Lieber Meschugge als tot!". Dabei zu hören: Lieder und Texte von Walter Jurmann, Hermann Leopoldi, Karl Farkas, Fritz Rotter oder Georg Kreisler. Weitere Abende werden von "Elias & The Yiddish Maidels", den Sängerinnen Lloica Czackis, Viktoria Hessel und Isabel Frey und dem Wiener Klezmer Orchester gestaltet.
Eines der traditionellen Herzstücke des Festivals musste Grinberg nun adaptieren: statt "Swinging Chanukka" gibt es heuer Jahreszeiten-bedingt "Swinging Pessach". Zu hören sein werden dabei Kinderlieder und Melodien aus der Haggada, aber auch neue Kompositionen, die sich mit Pessach auseinandersetzen. Dirigieren wird Michael Alexander Willens. Seine Familiengeschichte webt Grinberg quasi ebenfalls mit in das Programm ein, denn Willens Großväter waren die Komponisten Alexander Olshanetsky und Hermann Yablokof. Olshanetsky schrieb Hits wie "Mein Shtetale Belz" oder "Ich hob dich zufil Lib", von Yablkokof stammt "Papirossn". Wer schon öfter beim "Yiddish Culture Festival Vienna" war, weiß: das sind jene bekannten jiddischen Lieder, auf die das Publikum schon wartet und die für diese besondere, auch ein bisserl nostalgische Stimmung sorgen.