Der Iran ist nicht nur die größte Bedrohung für Israel, sondern für die ganze Welt": das war wohl die wichtigste politische Botschaft, die von Israels Präsident Shimon Peres am Sonntag Nachmittag bei einem Empfang für Mitglieder der jüdischen Gemeinde Wiens im Dorotheum zu hören war. Der Rahmen: bewegend.

Der bald 91-Jährige, der den Staat Israel mitaufgebaut hat, wird sich bald von seinem Präsidentenamt zurückziehen. Sein aktueller Staatsbesuch in Österreich ist auch sein letzter in Europa. Entsprechend hoch war das Interesse der Mitglieder der jüdischen Community bei dem Event am Sonntag Nachmittag dabeizusein – wobei es nur Plätze für 400 gab. Es zählte die Reihung der Anmeldungen.

Vor dem öffentlichen Gespräch, das die Direktorin des Jüdischen Museums Wien, Danielle Spera, mit Peres im Dorotheum führte, wurden im Saal die Bilder einer Livekamera vom Judenplatz eingeblendet, wo Peres eben mit Bundespräsident Heinz Fischer vor dem Holocaust-Mahnmal von Rachel Whiteread der Shoa-Opfer gedachte. Was Fischer im jüdischen Kontext öfter erwähnt (etwa bei Empfängen für ehemals aus Wien Vertriebene, die nun vom Jewish Welcome Service nach Österreich eingeladen werden), aber was für eine Rede im Rahmen eines Staatsbesuchs wohl eher ungewöhnlich ist: er sprach von den 65.000 in der NS-Zeit ermordeten Jüdinnen und Juden – und fügte hinzu: "darunter auch Angehörige der Familie meiner Frau".

Die meisten im Saal wissen von diesem Umstand, schließlich wurde Fischers Frau daher in Schweden geboren, schließlich war darüber in jüdischen Medien auch schon öfter zu lesen. Trotzdem kommt es gerade hier gut an, dass der Bundespräsident diese persönliche Betroffenheit kurz erwähnt, bei vielen jedenfalls.

Dass Fischer seine kurze Ansprache mit dem Satz einleitete "Ich bin schon oft hier in Wien vor diesem Mahnmal für die jüdischen Opfer der Schoa in Österreich gestanden, habe einen Kranz niedergelegt, habe voll Betroffenheit der Opfer gedacht und mich für die Täter geschämt", sorgte ebenfalls für wohlwollende Stimmung im Saal. Nicht immer wird das Agieren des Bundespräsidenten, wenn es um Israel geht, von den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde goutiert (obwohl Fischer und Peres eine langjährige Freundschaft verbindet). Noch immer erinnert man sich an sein enges Verhältnis zu Bruno Kreisky, der Jassir Arafat zum Partner für einen Frieden im Nahen Osten machte – nur der Frieden blieb bis heute aus. Wie schon einleitend festgestellt: die größte Gefahr für Israel kommt für Peres aktuell aus dem Iran und der atomaren Bedrohung.

Wenn ein politischer Verantwortungsträger eines Landes sage, man wisse nicht, ob es den Holocaust gegeben habe, könnte man ihm sagen: er solle doch einmal nach Dachau reisen. Vor allem aber gehe es um die Glaubwürdigkeit. Mit wirtschaftlichen Sanktionen versuche die Welt den Bau der Atombombe im Iran zu verhindern. Man müsse aber erkennen: der Iran sei im Moment eben nicht nur für Israel gefährlich, sondern für die ganze Welt.

Angesprochen auf die Situation im Nahen Osten, holte Peres nicht wirklich aus. Israel bestehe nun seit 66 Jahren und sei ein blühender Staat. In seinen Anfängen sei Israel ein armes Land gewesen, so arm wie viele der umliegenden Staaten heute. Die Botschaft an sie: "Ihr könnt wie wir sein, so blühend wie wir es sind." Kopfnicken allseits.
Innerhalb des Judentums gibt es immer wieder Stimmen, vor allem von Rabbinern, die meinen, die größte Gefahr für das Judentum überhaupt sei die Assimilation. Was seine Meinung dazu sei, wollte Spera von Peres wissen. "Wir müssen schauen, dass unsere Kinder jüdisch bleiben", betonte der israelische Präsident. Gerührt hatte er zuvor dem jüdischen Kinderchor gelauscht, der ihm zu Ehren aufgetreten war. Gerne ließ er sich auch im Kreis der Kinder fotografieren – die Bilder von den stolzen Angehörigen machen auf Facebook bereits die Runde.
Peres zeigte aber auch seine humorvolle Seite, die so viele Israelis und Juden weltweit so an ihm schätzen. Optimisten und Pessimisten müssten eines Tages sterben. "Aber sie leben unterschiedlich."

Er selbst werde sich zwar nun vom Präsidentenamt, nicht aber von seiner Arbeit für die Menschen zurückziehen, betonte Peres. "Präsident zu sein ist wie in einem goldenen Käfig zu leben. Wenn du Gold magst, dann bleibe dort. Aber wenn du lieber fliegen möchtest – fliege."
Der Nachmittag zeigte die enge Verbindung, welche die Wiener jüdische Gemeinde zu Israel hat. Viele hatten kleine Israel-Flaggen mitgebracht und natürlich stand man im Saal auf, als am Judenplatz die HaTikwa angestimmt wurde (blieb aber auch stehen, als im Anschluss die österreichische Bundeshymne gespielt wurde). Im Anschluss lud das Dorotheum zu Drinks und bescherte damit der Community ein Get together, wie man es sonst vor allem von den Hohen Feiertagen im Herbst kennt.

Danielle Spera überreichte Peres am Podium zwei Fotos – von sich und Peres. Eines von vor 30 Jahren, eines von vor sieben Jahren. Einige der Wiener Juden sind im Laufe ihres und des langen Lebens von Peres auf den charismatischen israelischen Pionier getroffen. Kannst du dich noch an damals erinnern, als …? Das war während des Wartens auf den hohen Gast reihum zu hören. Und so geriet dieser Nachmittag vor allem zu einem: einem rührenden Abschied von einem großen Politiker.