Worum es geht: man will die arabischen Staaten nicht verärgern. Das belegt auch eine aktuelle Wortmeldung von Thomas Bach, dem Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). In einem Interview mit der "Deutschen Welle" sagte er, das Nein zu einem Gedenken bei der Zeremonie sei auch in der Haltung arabischer Staaten begründet. Was man herausliest: niemand will einen Boykott der Spiele durch arabische Länder riskieren. Und Israel wird empfohlen, eine Gedenkfeier am Rand der Spiele abzuhalten.
Auf Facebook wird dieser Tage von jüdischen Usern ein Sujet besonders gerne geteilt: "Share if you agree: 17 days. 24.480 minutes. Not 1 minute to honour the memory of the Munich 11?" Außerdem wird zum Unterzeichnen einer Petition aufgerufen (http://www.change.org/petitions/international-olympic-committee-minute-of-silence-at-the-2012-london-olympics). Knapp 100.000 Menschen haben diese bereits unterzeichnet.
Zuletzt richtete sich der Zorn beziehungsweise das Unverständnis vieler Juden allerdings auch gegen das staatliche Fernsehen des Gastgeberlandes Großbritannien, die BBC. Diese stellt auf ihrem Internet-Auftritt alle Länder – aber auch Regionen, die nicht offiziell als Staat anerkannt sind -, die Sportlerdelegationen entsenden, in Kurzporträts vor (http://ww.bbc.co.uk/sport/olympics/2012/countries). Als Hauptstadt (capital) von Irland wird hier – wie nicht anders erwartet – Dublin angegeben, als Hauptstadt von Frankreich Paris.
Doch was steht auf der Israel gewidmeten Seite? Statt der Kategorie Hauptstadt wurde hier der Regierungssitz angegeben (seat of government). Und dann ist zu lesen: "Jerusalem, though most foreign embassies are in Tel Aviv". Das wiederum hat wohl damit zu tun, dass das 1950 als Hauptstadt Israels bestimmte Jerusalem nur von wenigen Staaten anerkannt wurde, die internationale Staatengemeinschaft akzeptiert allerdings die Anwendung israelischen Rechts in Westjerusalem. Der 1980 formulierte Anspruch Israels auf ganz Jerusalem wurde von der Staatengemeinschaft nicht akzeptiert. Daher befinden sich die Botschaften nicht in Jerusalem, sondern meist in Tel Aviv.
Interessanterweise hat man bei Palästina, das kein anerkannter Staat ist, eine weitere Kategorienalternative gefunden: "intended seat of government". Und wo liegt dieser? Ja, genau. In Jerusalem, genauer in Ostjerusalem. Zusatz: Ramallah fungiere als Verwaltungshauptstadt.
Was für eine (politische) Botschaft soll hier beim Leser ankommen? Während bei Israel die als Hauptstadt fungierende Stadt nicht als solche bezeichnet wird, wird diese Palästina zugeschrieben, das derzeit von einer anderen Stadt aus gelenkt wird?
Das ist kein politisch korrekter Umgang mit ohnehin schwierigen politischen und zeitgeschichtlichen Gegebenheiten. Und auch das Verweigern der Schweigeminute widerspricht dem olympischen Gedanken der Völkerverständigung. In so vielen Bereichen wirkt das Prinzip, sich des Ursprungs zu besinnen, wahre Wunder. Hierauf zu hoffen, ist aber wohl vergebens. Heute werden die Spiele fast nur mehr als Wirtschaftsfaktor gesehen. Dazu passen dann Meldungen wie jene, wonach ausschließlich eine Markt beherrschende Fastfood-Kette im Umkreis der Sportstätten der diesjährigen Olympischen Spiele Pommes frittes verkaufen darf. Das IOC will mit Sponsorenverträgen wie diesen den Profit maximieren.