Sonntag Abend um 18 Uhr schlossen die Wahllokale, kurz vor 22 Uhr gab es dann auch ein Endergebnis: die diesjährige Wahl des Kultusvorstands der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) ist geschlagen. Auch wenn sich die Kräfte in diesem 24-köpfigen Gremium deutlich verschoben haben – an der Führung ändert das nichts.

Erstaunlich rasch gab die IKG bereits gestern, Mittwoch, in einer Aussendung bekannt, dass eine Koalition steht: eine Koalition, die von 19 Mandataren beziehungsweise sechs der acht im Vorstand vertretenden Fraktionen getragen wird. An der Spitze: die Fraktion "Atid" (Hebräisch: Zukunft) des amtierenden und damit auch zukünftigen Präsidenten Oskar Deutsch.

Warum diese Eile? Martin Engelberg, Psychoanalytiker und Begründer der Liste "Chaj – Jüdisches Leben" hatte sich von Beginn seiner Wahlkampagne an als Herausforderer präsentiert, der das IKG-Präsidentenamt anstrebt. Am Sonntag errang "Chaj" drei Mandate, und ist damit nach "Atid" (sieben Mandate, bisher zehn) sowie "Bucharische Juden – Sefardim" (sechs Sitze, bisher fünf) drittstärkste Kraft. Die weiteren fünf Parteien sind nur mit einem oder zwei Mandaten im Vorstand vertreten.

Engelberg ist auch Kolumnenautor in der Tageszeitung "Die Presse" ("Quergeschrieben"). Diese Woche, also bereits nach der Wahl, betonte er in seinem Beitrag, der Wunsch der Wiener Juden nach Veränderung sei unübersehbar, und schrieb dabei auch: "In den nächsten Wochen werden die Verhandlungen unter den gewählten Mandataren ergeben, wer zum Präsidenten der Kultusgemeinde gewählt wird. Für Spannung ist also weiterhin gesorgt."

Die konstituierende Sitzung des IKG-Vorstands findet tatsächlich erst in der ersten Dezember-Hälfte statt. An diesem Abend werden dann auch aus den Reihen der Mandatare der neue Präsident und seine beiden Vizepräsidenten bestellt. Bisher standen Deutsch hier Judith Adler (Atid) und Chanan Babacsayv (Bucharische Liste) zur Seite. Adler war als 24. der Atid-Liste gereiht und scheidet damit aus dem Vorstand aus. Babacsayv trat zwar nicht als Spitzenkandidat der Bucharen an, ist aber als Mandatar wiedergewählt. Und er würde sich auch durchaus freuen, Vizepräsident zu bleiben. "Wenn man mich fragt, mache ich es gerne."
Was auffällt: als wirkliche Oppositionsfraktionen bleiben damit nur "Chaj" sowie die "Initiative Respekt" mit der Journalistin Sonia Feiger an die Spitze. Beide Parteien formierten sich im Vorfeld dieser Wahl neu, beide traten finanziell unabhängig an – und warfen durchaus Mittel in diese "Materialschlacht", wie es der Spitzenkandidat des "Bunds sozialdemokratischer Juden – Avoda" am Wahlabend formulierte.
Seine Fraktion büßte eines der bisher zwei Mandate ein – geschuldet, wie Sperling meinte, eben auch dem gigantischen Aufwand der drei Fraktionen Atid, Chaj und Initiative Respekt, die tatsächlich mit Foldern, Zeitungen, Veranstaltungseinladungen nicht geizten. Kleineren Gruppen mit geringem Budget fiel es da schwer, mitzuhalten. Das spürte vor allem die orthodox-zionistische Misrachi hart: die Traditionspartei schied aus dem Kultusvorstand aus. Und auch die kaukasischen Juden schafften den Einzug nicht.