Er war beim Publikum beliebt, bei den Leuten "vom Fach", also denen von der Germanistik, nicht. Warum denn bloß? Ich denke, es waren die Titel seiner ersten zwei erfolgreichen Romane, "Tadellöser & Wolff" und "Uns gehts ja noch gold". Die klangen irgendwie zu lustig, um als ernsthafte Literatur durchgehen zu können. Und natürlich hatte sich in den tonangebenden Kreisen durchgesprochen, dass es sich bei Walter Kempowski ohne Zweifel um einen bürgerlichen Menschen handelte.
Wie das meiste ist auch dies schon länger Geschichte, und 15 Jahre nach seinem Tod erscheint nun eine Biografie, die den entsprechenden Titel trägt (Dirk Hempel: Walter Kempowski. Eine bürgerliche Biographie. Pantheon Verlag, München 2022, 320 Seiten.). Dass über ihn zu Lebzeiten insgesamt drei Dissertationen entstanden, während solche Elaborate buchstäblich zu Hunderten etwa über Christa Wolf oder Heiner Müller verfasst wurden, sollte nicht zum Kulturpessimismus verleiten; freuen wir uns, dass es jetzt dieses Werklein gibt, in dem man nicht zuletzt, bevor der Anmerkungsteil losgeht, lesen kann, was Kempowski zu dem Ende zu sagen hatte, das jedem bevorsteht. "Mit dem Ende als solchem habe ich kein Problem. Gut, mich interessiert schon, was passiert, wenn die Klappe eines Tages fällt." Bis zur letzten Sekunde neugierig bleiben, das wäre doch ein Ideal, dem zu folgen sich lohnte.

Seit Gerhard Polts unsterblichem Sager "Englisch ist ja heutzutag keine Fremdsprach mehr - ich sprechs ja nicht ..." ist ein Menge Wasser alle denkbaren Flüsse hinabgeronnen, und immer noch fehlt selbige Fähigkeit einer bedauerlich großen Zahl der Mit- und Weltbürger/innen. Ganz ausnahmsweise sei auf zwei in jener exotischen Zunge abgefasste Bücher verwiesen, weil sie einfach zu gut sind. Das erste wird wohl bald übersetzt werden (Lady in Waiting. Hodder & Stoughton, London 2019, 326 Seiten), denn was die Autorin Anne Glenconner hier ausbreitet, ist einer großen Zahl von Fans aus der Serie "The Crown" aus einem anderen Blickwinkel vertraut. Die ehemalige Hofdame aus dem Umkreis der Prinzessin Margaret hatte im recht hohen Alter zu schreiben begonnen, als ihr verrückter Gatte starb und sich herausstellte, dass er den gesamten Besitz seinem bevorzugten Angestellten auf dem Gut in Westindien vermacht hatte. Nach der Autobiografie schrieb sie mit Tempo und sehr erfolgreich etliche Krimis (deutsche Ausgaben bei Rowohlt), alles in dem gutgelaunten Ton, den sie sich als Überlebensmethode in den gehobenen Kreisen angewöhnt hatte, in denen sie ihr Leben verbrachte.
Auch unser Dritter ist ein unerwarteter Kandidat für das Prädikat "Lesevergnügen". Es handelt sich um Ivar Giaever (sprich "Jever"), einen der drei Physiknobelpreisträger von 1973. Was macht das Leben eines Physiknobelpreisträgers lesenswert? Ganz einfach der Umstand, dass die Lektüre Vergnügen macht, was mit dem Titel anfängt (I am the Smartest Man I Know.World Scientific Publishing 2016, 272 Seiten). Der Titel ist selber schon ein Witz. An dem Tag, als ihm der schwedische König die Urkunde überreicht, kommt Giaever zu dem Schluss, dass er nun tatsächlich jener unter allen seinen Bekannten ist, der, amtlich bestätigt, der schlaueste ist.
Dass der Weltruhm der Physiknobelpreisträger jedoch recht schnell an gewisse natürliche Grenzen stößt, erlebt er in seiner norwegischen Heimat, als er mit seinem Schwager in Oslo zu einem Fußballmatch fährt. Roald hatte 25 Jahre zuvor olympisches Gold im Eisschnelllauf gewonnen, der Nobelpreis war "erst" zehn Jahre her. Sie waren etwas spät dran und fanden keinen Platz, um das Auto abzustellen. Und wen von den beiden erkannte der Polizist auf der Stelle, der am Stadion den Verkehr regelte und den sie um Rat fragten?