Sein hierzulande fast unleserlicher und unaussprechlicher Name war wohl einer der Gründe, warum der 1924 in Náchod geborene und 2012 in Toronto verstorbene Josef kvorecký bis heute im literarischen Fegefeuer der Geheimtipps verharrt. Seinen ersten Roman, "Feiglinge", schrieb er 1948/49; 1958 konnte dieser während einer kurzen Aufhellungsphase in der nachstalinistischen ČSSR erscheinen.
Er selbst beschrieb die unmittelbare Wirkung so: "(...) meine Schwiegermutter, eine einfache Frau aus dem Volke, bot mir an, meine Wertsachen und Sparbücher zu verstecken. Meine Frau transportierte meine Manuskripte zu meinem Vater nach Náchod, der sie bei einem Freund in einem 20 Kilometer entfernten Bergdorf versteckte.
Es sah ganz so aus, als würde ich eine verspätete Gelegenheit bekommen, Beschäftigung im Uran-Bergbau zu finden. Doch Stalin war seit sechs Jahren tot, und so versäumte ich die Gelegenheit und gelangte stattdessen über Nacht zu literarischer Berühmtheit."
1969 erschien eine deutsche Übersetzung bei Luchterhand, und 1986 noch einmal in der von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen "Anderen Bibliothek" als Band 16. Bei dieser Gelegenheit hatte ich das Vergnügen, die Bekanntschaft mit dem umwerfenden Panorama der kleinen ostböhmischen Stadt Kostelec in den Tagen vom 4. bis 11. Mai 1945 zu machen, an deren Befreiung das Alter Ego des Autors, der junge Danny Smiricky, eben noch unfreiwillig bei der Firma Messerschmitt im Flugzeugbau beschäftigt, nun mitwirkt.
Aber diese gewisse Begeisterung, die es braucht, um Geschichte zu machen, die geht ihm ab: "Ich war außerstande, Es lebe die Tschechoslowakei! oder so etwas Ähnliches zu rufen. Vielleicht weil Tschechoslowakei ein so dämlich langes Wort ist, aber ich könnte etwas anderes rufen: Es lebe der Frieden! oder so, doch ich brachte es nicht fertig. [...] Ich freute mich, daß Schluß war mit dem Protektorat, sah aber keine Notwendigkeit, mich deswegen wie ein Verrückter zu benehmen. Und es war mir peinlich, wenn man das von mir verlangte."

Mit der Publikation von "Eine prima Saison. Ein Roman über die wichtigsten Dinge des Lebens" gelang es, das Interesse im deutschen Sprachraum wieder anzufachen, indem der damals ambitionierte, heute aus der Bücherwelt verschwundene Wiener Deuticke Verlag ab 1997 eine Reihe von kvoreckýs Büchern, etliche davon erstmals auf Deutsch, herausbrachte. Und nun, im vergangenen Jahr, hat es in Wien wieder einer versucht, mit einem neuen Titel (Josef kvorecký: Der siebenarmige Leuchter. Aus dem Tschechischen von Hanna Vintr, Braumüller Verlag, Wien 2022, 190 Seiten).
Es handelt sich um das, was man früher einen Novellenkranz genannt hätte. In sieben Geschichten, so viele, wie der titelgebende Leuchter Arme hat, durchstreift der Erzähler die untergegangene Welt seiner Kindheit, in jenem Städtchen, das in der Wirklichkeit Náchod heißt und in der Fiktion Kostelec - und wo die meisten seiner Geschichten spielen.
Was sich hier, mehr als sonst, in den gewohnten leichten, humorvollen Ton mischt, den man von kvorecký gewohnt ist, ist eine geradezu allumfassende Traurigkeit: Die Helden dieser Geschichten zählen sämtlich zum jüdischen Teil der Bevölkerung, und sie sind allesamt nicht mehr da.
Niemand weiß genau, wo sie geblieben sind, beziehungsweise enden die Lebensläufe alle sehr ähnlich, nämlich ungefähr so: "Bob der Killer reiste am Tag darauf ab, gemeinsam mit den zwei Löbl-Brüdern, mit Mifinka und den zwei alten jüdischen Müttern. Er fuhr nach Theresienstadt und von dort weiter in östliche Gefilde, wo zerstörtes Kriegsgerät ebenso rauchte wie die Schlote der Krematorien, und wo seine Asche von der schweigsamen Erde aufgenommen wurde."