1969 war rückblickend betrachtet ein unglaubliches musikalisches Jahr. In den Hitparaden befand sich das Who is who der Rock-Nostalgie: Elvis und Bob Dylan, The Beatles und The Rolling Stones, Johnny Cash und Simon & Garfunkel. Und doch bleibt es durch ein Ereignis im kollektiven Gedächtnis, an dem keiner der genannten Superstars teilgenommen hat: Woodstock.
Der angebliche Höhepunkt der Hippie-Ära fand vom 15. bis 18. August im Bundesstaat New York statt. Für den Bekanntheitsgrad sorgten die Film-Dokumentation "Woodstock - 3 Days of Peace & Music" und die Dreifach-Live-LP vom Ereignis, beide 1970 erschienen.
Elvis - "Suspicious Minds"
Doch den Soundtrack des Jahres gestalteten andere, etwa Elvis Presley. Der King of Rock 'n' Roll erlebte gerade eine zweite Blütezeit. Mit zwei Songs konnte er 1969 große Erfolge feiern. Mit "Suspicious Minds" schaffte er seinen letzten Nummer-1-Hit in den US-Billboard-Charts, mit "In The Ghetto" seinen einzigen Nummer-1-Erfolg in Deutschland.
The Beatles - Get Back
Weiterhin ein Fixpunkt am Pop-Himmel waren die vier Burschen aus Liverpool. Auch 1969 gelangen zahlreiche Hits, von "Get Back" über "The Ballad of John & Yoko" oder "Come Together" bis zu "Something". Und einige davon waren auch in Österreich wochenlang an der Spitze der Charts zu finden. Etwa "Get Back", das fünf Wochen lang, vom 15. Juni bis 14. Juli, die Nummer 1 war.
Rolling Stones - You Can't Always Get What You Want
Obwohl 1969 der große Hit der Rolling Stones "Honky Tonk Women" hieß, hat die B-Seite der Single über die Jahre mehr Spuren hinterlassen. "You Can't Always Get What You Want" schaffte es auf Platz 101 der "500 Greatest Songs Of All Time" des Rolling Stone ("Honky Tonk Women" ist auf Rang 116). Der Song ist nicht nur bei Kritikern und Fans beliebt, auch Donald Trump verwendete ihn bei seiner Wahlkampagne.
Johnny Cash - A Boy Named Sue
Die Vorgeschichte zum größten Hit von Johnny Cash in den US-Billboard-Charts hört sich heute ein wenig unglaublich an. In Cashs Haus trafen sich an einem Abend die befreundeten Songschmiede Shel, Bob, Graham, Joni und Kris und spielten ihre neuesten Kreationen den anderen vor. An jenem Abend im Jänner 1969 sang also Kris Kristofferson seinen frisch geschriebenen Song "Me And Bobby McGee" (posthumer Nummer-1-Hit für Janis Joplin), Bob Dylan sein "Lay Lady Lay", Jony Mitchell "Both Sides Now", Graham Nash "Marrakesh Express" und der Playboy-Cartoonist Shel Silverstein gab seinen jüngsten Wurf "A Boy Named Sue" zum Besten. Cash gefiel der Song, doch es war seine Frau June Carter, die sich den Text des Songs von Silverstein geben ließ und ihn am nächsten Tag für die Reise zu den Aufnahmen nach Saint Quentin mitnahm. Im dortigen Gefängnis spielte Cash den Song live ein, indem er den Text einfach ablas. So einfach kann ein Hit entstehen.
Georges Moustaki - Le Métèque
In Frankreich und Italien ging 1969 der Stern von Georges Moustaki auf. Der in Ägypten geborene Franzose war zunächst als Songschmied bekannt geworden, hatte er für Edith Piaf doch den Song "Milord" geschrieben. Nachdem Serge Reggiani "Le Meteque" nicht aufnehmen wollte, tat es Moustaki selbst. Heute ist das Lied genauso aktuell wie damals. Der Fremde, "le métèque, wird weiterhin mit Argwohn betrachtet.
The Band - The Night They Drove Old Dixie Down
Bekannt wurde The Band als Begleitgruppe von Bob Dylan. Doch die Musiker um Robbie Robertson hatten spätestens mit dem Album "Music From Big Pink" ihre Eigenständigkeit bewiesen. Der Song über die Südstaaten und den Bürgerkrieg hatte nicht nur in der Version von The Band Erfolg. Joan Baez stürmte damit 1971 die Charts und in Deutschland war die Cover-Version von Juliane Werding "Am Tag, als Conny Kramer starb" 1972 populär.
Creedence Clearwater Revival - Proud Mary
Das Original der kalifornischen Band ist klassischer, getragener Country-Rock. Der Sprung über die musikalischen Genregrenzen verdankt der Song den Soul-Versionen von Solomon Burke und Ike & Tina Turner. Doch nicht nur Soulmusiker griffen den Song auf, auch andere Künstler wie etwa Schauspieler Leonard Nimoy. CCR traten übrigens 1969 in Woodstock auf, mitbekommen haben es nur wenige, war ihre Darbietung weder im Film noch auf der Platte des Events enthalten.
Dee Dee Warwick - Foolish Fool
Vor einigen Jahren ist die 2008 verstorbene Sängerin plötzlich ins Rampenlicht geraten, da in einer Dokumentation über Whitney Houston behauptet wurde, Whitney sei von ihrer Cousine Dee Dee sexuell belästigt worden. Sowohl Houstons Mutter Cissy als auch Dee Dees Schwester Dionne Warwick haben diese Behauptung zurückgewiesen. Zum Unterschied zu ihrer Schwester Dionne hat es bei Dee Dee nicht zur großen Karriere gereicht. Trotzdem sind etliche ihrer Aufnahmen hörenswert und "Foolish Fool" ist ein Soul-Klassiker der Sonderklasse.
The Winstons - Color Him Father
Nicht vom Glück verfolgt waren die Winstons. Die US-amerikanische Soul-Gruppe schaffte es mit der Single "Color Him Father" einen großen Erfolg zu landen, der ihnen auch einen Grammy bescherte. Doch war es die B-Seite der Single, "Amen, Brother", die sich als Goldesel erwies. Allerdings nicht für die Winstons, wie Kollege Michael Ortner ausführlich in Schlagzeugsolo für die Ewigkeit erzählt.
Amen Corner - If Paradise
Der italienische Liedermacher Lucio Battisti startete 1969 so richtig durch. In Italien hatte er mit "Mi ritorni in mente" und "Acqua azzurra acqua chiara" gleich zwei Top-Hits, in Großbritannien schafften Amen Corner mit Battistis "(If Paradise Is) Half as Nice" den Durchbruch. Die englische Version von "Il paradiso" (in Italien ein Hit für Patty Pravo) hatten zuvor die Tremeloes ("Silence Is Golden", "Twist And Shout") abgelehnt.