Das Ende des letzten Jahrtausends war für die italienische Popmusik eine dunkle Zeit. Innerhalb nur weniger Monate starben mit Lucio Battisti und Fabrizio De André zwei Leitfiguren. Beide waren noch keine 60 Jahre alt geworden, beide verbrachten die letzten Tage ihres Lebens in Spitälern. Doch während das Begräbnis von Battisti auf Wunsch der Witwe still und leise erfolgte, gab es knapp vier Monate später im Jänner des Jahres 1999 für De André ein öffentliches Abschiednehmen. Mehr als Zehntausend Menschen versammelten sich im Zentrum von Genua, ein deutliches Zeichen für die Wertschätzung, die der italienische Cantautore nach stürmischen Jahren genoss.
Bis heute wird das Werk des Genuesers geschätzt: Zum 80. Geburtstag, den De André am 18. Februar gefeiert hätte, wird ein Doku-Film in die italienischen Kinos gezeigt, der die legendäre Tournee aus dem Jahr 1979 gemeinsam mit der Pro-Rock-Band Premiata Forneria Marconi (P.F.M.) in Erinnerung ruft. Für die Regie verantwortlich zeigt sich mit Walter Veltroni ein ehemaliger italienischer Kultur- sowie Vize-Premierminister. Besonders ist die filmische Reise in die Vergangenheit deshalb, da man fast 40 Jahre lang glaubte, es gäbe keine Video-Aufzeichnungen der Tournee, sondern nur Tonaufnahmen.
Für den Genueser waren Konzerte kein einfaches Unterfangen. Erst spät, Mitte der 70er Jahre, ließ er sich zu ersten Tournee überreden. Alkohol musste ihm den Mut geben, auf die Bühne zu steigen. Ein einziges Mal machte er eine Europa-Tour, die ihn 1982 auch ins Wiener Konzerthaus führte. Damals war auch sein Sohn Cristiano mit dabei, der gerade mit der Band Tempi Duri seinen ersten Erfolg hatte.
In Österreich ist De André durch das Lied "Andrea" bekannt geworden. Die Hauptperson des Songs ist entgegen der Peter Alexander'schen Cover-Version ein Mann, und die Liebesgeschichte handelt auch von einem homosexuellen Paar.
Andrea
Seinen Durchbruch hatte der Genueser in den 60er Jahren, als die Pop-Diva Mina (Italiens bis heute erfolgreichste Sängerin) seinen Song "La canzone di Marinella" coverte. De André schmiss deshalb sein Jus-Studium nur wenige Prüfungen vor dem Ende hin und wurde hauptberuflicher Liedermacher.
La canzone di Marinella
Zu Beginn seiner Karriere war De André stark von französischen Chansonniers wie Georges Brassens oder dem Belgier Jacques Brel beeinflusst. Später kamen auch noch die nordamerikanischen Literaten (und Songwriter) Bob Dylan und Leonard Cohen dazu.
Avventura a Durango
Die Stärke von De André lag in den poetischen Texten, die auch in der italienischen Cantautore-Szene hervorstachen. In "La guerra di Piero" singt er über die Schrecken des Krieges:
"Er schläft begraben in einem Kornfeld,
es sind nicht Tulpen und Rosen, die sich hier ranken,
sondern tausend rote Mohnblüten,
die ihm vom Schatten der Böschung gedenken."
La guerra di Piero
In die Schlagzeilen geriet der Genueser samt seiner damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau Dori Ghezzi im Spätsommer 1979. Die beiden wurden in Sardinien entführt und erst nach etlichen Monaten knapp vor Weihnachten 1979 nach Zahlung von Lösegeld freigelassen. Im Song "Hotel Supramonte" verarbeitete er seine Erlebnisse.
Hotel Supramonte
Viele der Songs von De André beschäftigen sich mit den Außenseitern der Gesellschaft. Der Genueser hatte sich schon früh mit den Schriften von anarchistischen Vordenkern auseinandergesetzt und war auch Mitglied der italienischen Anarchisten-Vereinigung. Deswegen war er auch vom Geheimdienst jahrelang observiert worden. Der Song "Il pescatore" etwa erzählt von einem Fischer, der Kriminelle vor der Polizei versteckt.
Il pescatore
In den letzten Lebensjahrzehnte begann De André sich stärker auf seine genuesischen Wurzeln zu besinnen. Es erschienen etliche Platte in Genueser Dialekt. Etliche Songs entstanden in Zusammenarbeit mit Ivano Fossati, einem weiteren bekannte Songwriter aus Ligurien (siehe auch den Blog-Beitrag "Deliriums "Jesahel" - von Sanremo zu den Paralympics").
Dolcenera
Weitere wichtige Songs von De André waren etwa "Una storia sbagliata", den er für eine Filmdokumentation über den in den 70er Jahren ermordeten italienischen Regisseur Pier Paolo Pasolini schrieb.
Una storia sbagliata
"Fiume Sand Creek" handelt dagegen vom Gemetzel an den Indianern im Jahr 1864.