Wenn man in Italien über Liedermacher spricht, dann wird man einen Namen hören, der mantramäßig wiederholt wird: Francesco Guccini. Der Künstler verkörpert all das, was man sich in den 60er und 70er Jahren von einem linken Liedermacher erwartet hatte. Tiefe brummige Stimme, Bart und lange Haare und Lieder gegen Gott, Faschismus und die reaktionäre Gesellschaft. Doch das Bild täuscht, dieser Francesco Guccini ist keinesfalls so eindimensional und leicht einzuordnen. Dies mussten zuletzt auch Italiens Linke erfahren, als Guccini in einem Interview erklärte, er sei nie Kommunist gewesen, sondern habe für die Sozialisten gestimmt.

Im deutschsprachigen Raum ist Francesco Guccini kaum bekannt. Der bärtige Cantautore ist kein Mann für Schunkellieder und Schmalzorgien. Ganz im Gegenteil, verstören die Lieder des "cantautore DOC" - wie man in Italien in Anlehnung an die garantierte Ursprungsbezeichnung des Weins "echte" Liedermacher bezeichnet - häufig die Zuhörer.

Begonnen hat die musikalische Karriere Guccinis ein bisschen nebenbei. Zunächst hatte er es als Journalist und als Lehrer versucht, um sich dann dem Studium zu widmen. Mit Freunden gründete er eine Band und schrieb und übersetzte Songs. Inspiriert von Bob Dylan und französischen Chansonniers lag die Stärke Guccinis in den Songtexten. Bestes Beispiel dafür ist etwa der Hit der Band Nomadi, die mit dem Guccini-Song "Dio è morto" für Schlagzeilen sorgten. Während die staatliche RAI den Song boykottierte, war es gerade ein Sender des Vatikans, der dieses Lied immer wieder spielte. Denn wer sich nicht nur mit dem Titel "Gott ist tot" beschäftigte, sondern mit dem Inhalt des Liedes, erkannte, dass es sich um genau das Gegenteil handelte. Es war eine Anklage gegen Konsumwahn und Heldenglauben, gegen Karrieristen und Heuchler.

Dio è morto

In dieser Zeit entstanden noch einige weitere Songs, die bis heute auch zum Erstaunen von Guccini selbst, unvergessen geblieben sind. Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust, ein Thema, das auch in Italien erst langsam in das öffentliche Bewusstsein kam, hat der Emilianer im Song "Auschwitz" verarbeitet. "Ich bin gestorben mit hundert anderen / ich bin gestorben und war noch ein Kind / und durch den Rauchfang gegangen / bin ich nun im Wind", beginnt das Lied, und hat mittlerweile einige Generationen berührt.

Auschwitz

Und noch ein weiterer Song von damals hat die Zeit mühelos überstanden. "Canzone per un amica" ("Lied für eine Freundin") handelt vom Autounfall einer Bekannten, die auf der Autobahn starb.

Canzone per un amica

In den 70er Jahren gelang dann Guccini der endgültige Durchbruch. Auf dem Album "Radici" veröffentlichte er mit "La locomotiva" eines seiner bekanntesten Songs. Jahrzehntelang sollte es der Liedermacher als Schlusslied seiner Konzerte vortragen. Dabei wurde der Song von Freund und Feind als politisches Kampflied missinterpretiert. Es handelt vom Attentat eines Anarchisten im Jahre 1893.

La locomotiva

Zu Beginn der 80er Jahre gelangte fast jedes neues Werk von Guccini auf die vordersten Plätze der Hitparade, obwohl sich der Künstler auch die Freiheit nahm, Konzeptalben zu machen. 1981 beschäftigte sich Guccini auf "Metropolis" mit Städten, unter anderem auch mit Bologna, jener Stadt, die Mittelpunkt seines Schaffens war. "Bologna ist eine alte Dame mit weichen Hüften / mit der Brust auf der Poebene und dem Hintern auf den Hügeln / Bologna arrogant und päpstlich / Bologna die rote und fetal / Bologna, die fette und die menschliche / schon ein wenig Romagna und mit dem Duft der Toskana."

Bologna

An den Texten seiner Songs feilt Guccini mit Pedanterie. Die Hörer merken es oft nicht, da sich der Liedermacher auch mit alltäglichen Dingen wie etwa dem Flirt mit der Kellnerin einer Autobahnraststätte auseinandersetzt.

Autogrill

Anders ist es dann, wenn schon der Titel den Hörer aufmerksam werden lässt. Etwa ein Bibelzitat wie in

Shomèr Ma Mi-Llailah?

Ende der 80er Jahre begann Guccini, Bücher zu schreiben. Sein erstes Werk, "Cròniche epafàniche", erschien 1989 und wurde wenig überraschend ein Erfolg. Wie er bei den Guccini-Tagen in Innsbruck im Jahr 2006 in einem Interview mitteilte, war es ein logischer Schritt. Die Liebe zum Schreiben, zum Erzählen, hatte er schon als Kind. Während andere Kinder Feuerwehrmann oder Pilot werden wollten, wollte er Schriftsteller werden. Schon davor, Ende der 60er Jahre, hatte er gemeinsam mit dem Zeichner Bonvi (Sturmtruppen; Nick Carter) Comics geschrieben.

In den letzten Jahren sind einige seiner Kriminalromane, die er mit Loriano Macchiavelli geschrieben hat, in deutscher Übersetzung erschienen. Das nächste Buch, "Die Spur der Wölfe", wird im Frühjahr 2021 veröffentlicht.

Heute lebt Guccini zurückgezogen in Pàvana in der Toskana, an der Grenze zur Emilia. Hatte er in seiner Zeit in Bologna mit vielen Kollegen zu später Stunde musiziert (etwa bei "Porta Romana" mit Lucio Dalla und Roberto Vecchioni), so besuchen ihn heute Freunde wie etwa Zucchero um gemeinsam Lieder zu schreiben.

Porta Romana