Beim Rückblick auf die Alben des Jahres 2021 war uns eine bemerkenswert dichte Beteiligung deutscher Bands und Interpreten aufgefallen (siehe & höre etwa International Music, Isolation Berlin oder Danger Dan). Das setzt sich 2022 nahtlos fort. Wobei das Besondere daran ist, dass sich das Deutsche überhaupt nicht zu erkennen gibt, wie etwa bei den Bands BRTHR oder Fooks Nihil, die nachgerade darum rittern, wer von ihnen amerikanischer klingt. BRTHR aus Stuttgart, rund um das (fiktive) Brüderpaar Philipp Eißler (Gesang, Gitarre) und Joscha Brettschneider (Git.) gruppiert, drängen dabei mehr in den Süden, hin zur laid-back-Version eines Southern Soul im J.J.-Cale-Gedächtnis-Contest. Auf "Be Alright" (Backseat), ihrer neuen EP (nach drei Alben bisher), ziehen sie erstmals satte Bläser hinzu, die in den Faulsack-Sound sonor vibrierende Luft pumpen, die ihnen nach fünf hochklassig-faden, edel-entspannten Songs aber auch schon wieder ausgeht.

Fooks Nihil aus Hessen, die ihre Herkunft akustisch meisterhaft verschleiern, halten auf ihrer Wandertour gen Westen länger durch. "Tranquility" (Unique Records), das neue, zweite Vollalbum, zieht mit elf Songs an die Küste Kaliforniens, um dort allem, was nach Sonne, Surf und Twang klingt, zu huldigen. Man höre nur "C.A. Walking", das diese Anverwandlung mit Harmoniegesängen und West-Coast-Leinwandbreite mimetisch perfekt vollzieht. "Mirror" ist ein wunderbarer, rund um einen vokalen Auftriebsrefrain gestrickter Popsong. Und "Mangalitza" bringt - nein, nicht im Schweinsgalopp, sondern in leicht federnder Gangart - eine doch ausgeprägt mitteleuropäische Delikatesse in den an sich specklosen kalifornischen Klanghaushalt ein. Und für "There’s Nothing Else To Do" gibt es vorweg den heurigen Beach-Boys-Award.

Philine Sonny wiederum, aus dem Ruhrpott stammende Sängerin (mit bürgerlichem Namen Bernsdorf, was schon eher nach der Gegend klingt), verblüfft auf ihrer EP "Lose Yourself" (Label Mightkillya) mit einem souverän gehauchten Vortrag, als hätte sie in Bon Ivers Holzhütte Klangspäne inhaliert. Da legt sich eine Stimmpatina über manchmal sparsam gezupfte oder am Klavier angetastete, dann wieder breit angelegte, dicht instrumentierte Arrangements, was für eine 20-Jährige insgesamt erstaunlich reif anmutet. Ein starkes Debüt.

Mary Broadcast, so heißt man dann in Österreich (eigentlich ja Mary Lamaro, was aber auch nicht wirklich nach Braunau am Inn klingt, wo sie aufgewachsen ist), beeindruckt ebenfalls - aber auf andere Weise. Ihre zu Beginn des Jahres erschienene EP "Panic" (Beetween Music) ist sozusagen work in progress, besteht sie doch aus 6 Songs, die vorweg einzeln (und auch als Videos) 2021 in stetiger Reihenfolge erschienen und allesamt in G-Dur (oder -Moll) geschrieben sind. Sie erzählen, in unterschiedlichen Spielarten und Rhythmen, die Geschichte einer Frau und ihrer Fehlgeburt. Schwermut ist dabei keineswegs die durchgängige Emotion: "Bastille" etwa, Episode 3, wenn man so will, ist ein schwung- und druckvoller Popsong mit heller Grundierung.

Bleibt noch Fred Owusu, der in Graz geborene und lebende Sänger ghanaischer Eltern, der als Zweiter der "Starmania"-Folge 2021 die bekanntermaßen besten Chancen auf Stardom hat. Die EP "Freedom" (Paramatta) untermauert das in lässiger Manier mit einer gut abgekochten Mischung aus steirischem Memphis-Soul, Vorstadt-R’n’B und Hosenträger-Gospel samt einem appelativen spoken-word-Beitrag zum Titelthema. Und die Single "Milk & Money" ist zwar schlicht, aber ungemein funky & catchy. Well done.